„Wir wollen die Gewinner mobilisieren“

■ Martin Rocholl stellt das Ökosteuerkonzept der 108 deutschen Umweltverbände vor

taz: Der Deutsche Naturschutzring (DNR), der Dachverband der deutschen Umweltverbände, hat gestern ein Ökosteuerkonzept vorgestellt. Wie sieht das aus?

Martin Rocholl: Der Gedanke ist so einfach, daß es einen wundert, daß die Ökosteuer noch nicht eingeführt ist. Die Umweltnutzung und die Energie soll teurer gemacht werden und dafür die Arbeit billiger. Nach der Logik des Marktes werden dadurch weniger Energie verbraucht und dafür mehr Jobs geschaffen.

Was bedeutet das konkret?

Wir stellen uns vor, daß eine Steuer auf Kohle, Erdöl und Gas erhoben wird, die über 10 Jahre um jährlich sieben Prozent steigt. Ein Jahresaufkommen von 120 Milliarden Mark soll so im zehnten Jahr hereinkommen. Außerdem sollen die Steuern auf Benzin und Diesel pro Jahr um 30 Pfennig steigen – das brächte am Ende noch mal rund 100 Milliarden Mark. Mit dem Aufkommen sollen die Lohnnebenkosten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesenkt werden.

Wie spüren die Verbraucher die Energiesteuer?

Der Strompreis würde in zehn Jahren um elf Pfennig pro Kilowatt steigen, der Heizölpreis um 41 Pfennig pro Liter. Wir wollen aber verhindern, daß Ökosteuern sozial schwache Gruppen benachteiligen. Teile der Einnahmen sollen deshalb für höhere Sozialtransfers verwendet werden.

Die Industrie beschwört eine Abwanderungswelle durch Ökosteuern.

Das Argument wird sehr gern mißbraucht. Teilweise besteht aber tatsächlich die Gefahr von Nachteilen für besonders energieintensive Betriebe. Wir können uns daher vorstellen, das für sie eine geringere Energiesteuer gilt, solange es EU-weit noch keine vergleichbaren Steuern gibt.

Großbritannien, die Niederlande und Dänemark haben schon Energiesteuern eingeführt.

Dänemark hat Energiesteuern mit einigen Ausnahmen für die Industrie eingeführt. Die haben festgestellt, daß die Steuer positiv wirkt: Die Dänen haben ein sinkendes Haushaltsdefizit, sinkende Arbeitslosenzahlen und einen Boom in der Umwelttechnik.

Was ändert sich ökonomisch?

Es wird einen Trend geben zu langlebigeren Gütern. Reparaturen lohnen sich wieder, weil die Lohnkosten sinken. Die industrielle Landwirtschaft, die mit hohem Energieeinsatz für Kunstdünger und Pestizide arbeitet, wird an die Biobauern verlieren, die vor allem arbeitsintensiv anbauen. Dazu kommt der Effekt, daß der Transport teurer wird und damit die lokale Vermarktung gefördert wird.

Die Ökosteuer ist seit Jahren Thema. Warum ist noch nichts passiert?

Es ist noch nicht klargeworden, daß es mehr Gewinner als Verlierer der Reform geben würde. Die Verlierer haben sich als Lobby konzentriert. Die chemische Industrie, Stahl und Kohle dominieren den Industrieverband BDI. Dabei würde die Energiesteuer eine Effizienzrevolution auslösen, die die Wirtschaft zukunftsfähig macht. Was wir noch nicht geschafft haben, ist die Gruppe an Gewinnern, auch in der Industrie, zu mobilisieren. Das wollen wir jetzt anpacken. Interview: Matthias Urbach