: Mehr Kernkraft schadet dem Klima
Erstaunliche Einsicht in der UBA-Studie „Nachhaltiges Deutschland“ ■ Aus Berlin Matthias Urbach
Die Studie trägt dazu bei, die notwendige breite Debatte über Konzepte zur nachhaltigen Entwicklung voranzubringen.“ So Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) gestern über die 360seitige Fleißarbeit des Umweltbundesamtes „Nachhaltiges Deutschland“. Vor allem einen Satz der Studie aus dem ihr zugeordneten Bundesamt sollte Merkel genau lesen: „Zur Erreichung des Klimaschutzzieles ist die Kernenergie auf Dauer nicht notwendig.“ Diese Aussage steht im krassen Widerspruch zu ihrer Politik, daß Kernkraft für den Klimaschutz unverzichtbar wäre.
Zwei Jahre nach der aufsehenerregenden Studie des Wuppertal Instituts „Zukunftsfähiges Deutschland“ zieht jetzt das Umweltbundesamt nach. Zwei Jahre brauchten auch die Wissenschaftler, um die Wege zur Nachhaltigkeit zu erhellen. Um zu beschreiben, wie Deutschland voranschreiten kann im Rio-Prozeß zu einer Wirtschaftsweise, die weder zu Lasten der Natur geht noch die Ressourcengrundlagen künftiger Generationen plündert. Fazit: Eine nachhaltige Entwicklung ist nicht allein durch mehr Öko-High-Tech zu bewältigen. Sie erfordert auch ein anderes Wirtschaften, bessere Gesetze und ein anderes Konsumverhalten.
Zu vier zentralen Bereichen – Energie, Verkehr, Nahrung und Stoffströme – entwickelten die UBA-Experten je drei Szenarien: Fortschreibung des Status quo, eine ökologische Effizienzsteigerung der Wirtschaft, und drittens die Ergänzung technischer Lösungen durch Bewußtseinswandel und ökologische Strukturpolitik. Wie alte Strukturen im Weg stehen können, zeigt die Kernenergie: „Ein Ausbau dürfte die angebotsorientierten Strukturen unserer Energiewirtschaft stabilisieren“, schreiben die Gutachter. Und die seien „ein Haupthemmnis für die zur Erreichung des Klimaschutzzieles unabdingbare Effizienzverbesserungen“.
Auch im Verkehr verlangt das UBA eine Umkehr: So „sollte spätestens mit dem nächsten Bundesverkehrswegeplan auf die Erweiterung des Fernstraßennetzes verzichtet werden“. Die Experten geben der ökologischen Landwirtschaft den Vorzug und bewerten den Einsatz der Gentechnik als „äußerst kritisch“ – der „Verlust sensibler Arten“ drohe.
Wer umfassende Handlungsschritte und Ziele für die Regierung erwartet hat, wird enttäuscht. Eine Stärke der Studie ist dagegen die Analyse der rechtlichen und finanzpolitischen Instrumente für den Umbau.
Die Studie soll Merkels Prozeß der Schritte zu einer nachhaltigen Entwicklung unterfüttern. In mehreren Arbeitskreisen, zusammengesetzt aus allen gesellschaftlichen Gruppen, bereitet sie gerade ein „umweltpolitisches Schwerpunktprogramm“ vor, eine Art nationaler Umweltplan, der kommendes Frühjahr erscheinen soll. Kommentar Seite 10
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