: Anderen Autoren den Weg bereitet
Es kann kein Zufall sein, daß in der Literatur jener Autoren, die sich der herkömmlichen nationalen Zuordnung entziehen, übernationale Eigen- und Verschrobenheiten am meisten zu erfahren ist. Sie sind in der sogenannten Dritten Welt geboren, haben aber zumindest einen Teil ihres Bildungsweges in westlichen Industriestaaten absolviert, in Frankreich, in England, in den USA, in Kanada. Sie heißen, um nur einige zu nennen, Ben Okri, Tahar Ben Jelloun, Vidiadhar Surajprasad Naipaul, Michael Ondaatje, Salman Rushdie.
Daß letzterer mit seinen ,Satanischen Versen‘ eine Art Märtyrerfigur für das freie literarische Wort wurde, war nicht sein Verdienst. Es ist ihm widerfahren, und wir haben damit leben gelernt. Achselzuckend, nicht ohne Zynismus, als wäre es eine Strategie des Autors gewesen. Ein reicher Mann, der sich nicht frei bewegen kann, ist arm dran. Pech.
Literarisch hat sich Salman Rushdie nicht mit den ,Satanischen Versen‘, sondern mit dem Roman ,Mitternachtskinder‘ unter die Nobelpreiskandidaten geschrieben. Besonders dieses Buch war es, das der neuen ,synkretistischen‘ Literatur Aufmerksamkeit verschafft hat. Es hat anderen Autoren den Weg bereitet. Rushdie sieht unseren Wahnsinn mit dem Herzen alter, geschändeter Kulturen. Und er erkennt die Brutalität des Mythos mit dem Sinn eines an sich selbst verzweifelnden Humanismus. Und was machen wir? Wir warten auf den Roman über den deutsch-deutschen Bruderkonflikt. Unsere Sorgen wünsche ich Salman Rushdie. Josef Haslinger
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