Für 111 Mark nach Berlin

■ Kleinkrieg um Love Parade treibt immer neue Blüten: Lufthansa entdeckt ihr Herz für Raver. Innenverwaltung und Polizei drücken sich um Diskussion des Politischen

Es vergeht kaum ein Tag, ohne daß die Kontroverse um die Love Parade nicht um neue Auseinandersetzungen und Petitessen angereichert wird. Die Veranstalter warfen gestern dem Baustadtrat von Tiergarten „Blockadepolitik“ und „Amtsanmaßung“ vor, weil er die Veranstaltung am 12. Juli nicht als politische Demonstration anerkenne. Die Love Parade sei „das Jugendereignis in Deutschland“, argumentierte der planet.com- Sprecher Peter Lützenkirchen.

Vom BUND mußte sich der Veranstalter den Vorwurf „dreister Erpressungsversuche“ gefallen lassen. So sei die Ankündigung der Veranstalter zu verstehen, keine Toiletten aufzustellen, wenn der Bezirk das Getränkemonopol nicht einem Berliner Unternehmer übertrage. Außerdem warf der BUND den Veranstaltern vor, bisher keinen einzigen WC-Container angemietet und kein „geschlossenes Konzept zur Müllvermeidung“ vorgelegt zu haben. „Pure Gewinnsucht“ stehe dahinter. So sollen die fünf Gesellschafter der Love Parade GmbH mindestens 1,4 Millionen Mark aus Sponsorengeldern und einem Plattenvertrag erhalten. Allein 250.000 Mark kämen von der ARD, um die Vorabendserie „Marienhof“ mit Raveraufnahmen aufzupeppen. „Vollkommener Unfug“, konterte planet.com-Sprecher Lützenkirchen. Nicht die ARD, sondern der „Marienhof“ gehörten neben „Camel“ zu den Sponsoren. Über die Höhe der Sponsorengelder wollte er sich nicht äußern. Auch den Vorwurf der „Erpressung“ wies er zurück. Lützenkirchen betonte, daß dem Bezirk ein „Umweltpaket“ von 250.000 Mark angeboten worden sei. Im Gegenzug sollte ein Berliner Generalunternehmer die Getränkeversorgung, die Reinigung des Tiergartens und eine „verdoppelte Toilettenkapazität“ übernehmen.

Während sich Gegner und Befürworter im täglichen Kleinkrieg zermürben, drücken sich die Verantwortlichen nach wie vor um eine Antwort auf die Frage, was denn nun politisch sei an der Love Parade. „Wir können nicht eine Exegese betreiben, was politisch ist“, sagte der Sprecher der Innenverwaltung, Thomas Raabe, und verwies auf die Polizei. Doch die fühlt sich als nachgeordnete Behörde selbstredend nicht angesprochen: „Nee, nee“, widersprach Polizeisprecher Schultz, „diesen Ball nehme ich nicht auf.“

Bleibt nur die Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Abgeordnetenhaus. Darin teilt Staatssekretär Kuno Böse von der Innenverwaltung mit, daß der Versammlungsbehörde „keine inhaltliche Bewertung von Demonstrationsanmeldungen zusteht“. Außerdem sei nicht beabsichtigt, eine Auseinandersetzung mit der Auffassung zu führen, die Behandlung der Veranstaltung als Demonstration diene der Kostenverlagerung auf die Bezirke. Böse räumt jedoch „unverkennbar kommerzielle Elemente“ ein. „Sollten diese in Zukunft noch stärker zum Vorschein treten“, heißt es abschließend, „wird die Versammlungsbehörde nicht umhin können, der Love Parade den Charakter einer politischen Demonstration abzusprechen“.

Ganz nach dem Motto „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte“, springen immer mehr Unternehmen auf den Technozug auf. Seit gestern bietet die Lufthansa einen Techno-Spartarif an. Für 111 Mark können Raver unter 30 Jahren von Köln/Bonn, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart nach Berlin und retour fliegen. Barbara Bollwahn