: Kulturelles Kapital im symbolischen Kampf
■ Die beiden Angeklagten haben McDonald's mit seinen eigenen – symbolischen – Waffen bekämpft und hatten damit Erfolg, meint der französische Soziologe Pierre Bourdieu
Der folgende Beitrag enthält Auszüge aus einem Vortrag Pierre Bourdieus anläßlich einer Podiumsdiskussion mit Ulrich Beck und Joschka Fischer in Frankfurt am Main. Das zentrale Thema der Diskutanten am 8. Juni, also vor dem McDonald's-Urteil, war die Linke und die Globalisierung (taz vom 13.6).
McDonald's, ein mächtiger Multi, wird in diesem Prozeß angegriffen. Dieser Multi bedient sich freilich aller juristischen Mittel und entsprechender Ideologien – der Freiheit des Ausdrucks, der Redefreiheit –, um zwei Personen, die ganz allein dastehen, verurteilen zu lassen, zwei alternative Militante, vielleicht Grüne, die sich ihrerseits der Ideologie, der Redefreiheit, bedient haben. Dieser Multi hat die Freiheit, den freien Handel, mißbraucht, um die berühmtesten und teuersten Anwälte der westlichen Welt zu beauftragen, den symbolischen Protest zweier Menschen zu unterdrücken.
Diese beiden Menschen wollen einen Kampf ausfechten, wobei der Weg, den sie gewählt haben, nicht unbedingt der übliche ist. Begünstigt wird dieser Kampf durch die symbolische Macht, die ihm durch die Stellung jenes Unternehmens zukommt, das sie der Verleumdung verklagt hat.
Was hat die beiden dazu veranlaßt, McDonald's herauszufordern? Zunächst ist das Arbeitsrecht verletzt worden. Ein Unternehmen hat seine Machtstellung dazu mißbraucht, sein Personal über Gebühr auszubeuten. Andere würden vielleicht gegen dieses Unternehmen vorgehen, weil es die Umwelt zerstört. Und eine dritte Gruppe würde wahrscheinlich der Firma vorwerfen, sie habe nationale und regionale Kulturen zerstört.
Aber hier sind alle drei Elemente zusammengekommen. Und sie sind nicht mehr dissoziierbar, nicht mehr auseinandernehmbar in diesem besonderen Fall. Den Angeklagten wird vorgeworfen, daß es eine Diffamierung des Unternehmens gegeben hat. Was haben sie getan? Nun, erstens haben sie den Namen McDonald's durch McMörder, durch McProfits ersetzt. Und diese Bezeichnungen, diese symbolischen Bezeichnungen, deuten an, daß die beiden Militanten symbolische Waffen einsetzen. Sie setzen die Sprache ein, und zwar eine sehr gewaltsame Sprache, wie schon vor ihnen andere soziale Bewegungen das getan haben. Das ist wohl ein historisches Gesetz, das man auch in den Bewegungen nachvollziehen kann, insbesondere da, wo Kultur im Spiel ist, so zum Beispiel, als die amerikanischen Studenten gegen den Vietnamkrieg vorgegangen sind. Oder erinnern wir uns der Studentenbewegung in Deutschland und Frankreich Ende der sechziger Jahre. Das waren soziale Bewegungen mit sehr viel Kultur, wo kulturelles Kapital eingesetzt wurde im symbolischen Kampf.
Genau da liegt auch einer der Unterschiede zwischen einigen der neueren Bewegungen und den traditionellen Bewegungen, die mit Massendemonstrationen gearbeitet haben, mit Demonstrationstechniken, die weniger auf Symbolwirkung setzten. Die zwei Personen, denen jetzt der Prozeß gemacht wird, möchten unbedingt symbolische Werte einsetzen. Sie sprechen von McKrebs und McProfit, um ein Wirtschaftsunternehmen anzugreifen, das symoblische Werte einsetzt und mit diesen symbolischen Werten Kinder manipuliert – unmittelbar, aber auch über das Erziehungs- und das Bildungssystem.
Ich glaube, man kann bereits sehen, daß dieser Prozeß der Prozeß einer Zivilisation ist, einer globalen Zivilisation. Es ist der Prozeß einer Zivilisation, die in drei Dimensionen charakterisiert werden kann: durch Auswirkungen auf die Umwelt, Auswirkungen auf lokale Kulturen und Auswirkungen auf die sozialen Produktionsstrukturen. Das sind drei Elemente, die sonst von drei unterschiedlichen gesellschaftlichen Bewegungen kritisiert und angegriffen werden. Und weil diese drei Dinge ein System, eine Zivilisation bilden, möchte ich hinzufügen: Aus diesen Gründen ist die Zivilisation auch gefährdet, durch diese drei Elemente. Es ist eine Bedrohung dessen, was wir mit Zivilisation in Verbindung bringen.
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