Service feudelfrei

Seit gestern machen Rotgewandete Hamburgs S-Bahn freundlicher und farbenfroher  ■ Von Karin Flothmann

„Wenn das so weitergeht, ist es echt ein klasse Job!“Andreas Reiher grinst breit. Da hat er doch nur ganz freundlich einer älteren Dame einen guten Tag gewünscht. Schon zückte die Frau eine Tafel Schokolade, um den 26jährigen zu beglücken. Der frühere Bürokaufmann lehnte dankend ab. „Das hatte ja schon was von Bestechung.“Und die paßt wirklich nicht zum Image des frischgebackenen S-Bahn-Mannes in dunkelblauer Hose und knallrotem Shirt.

Zusammen mit 66 gleichgewandeten KollegInnen vom Hamburger Verkehrsbegleitungs-Service (HVB) fährt Andreas Reiher seit gestern S-Bahn auf der Linie 1. Sie alle sollen künftig dafür sorgen, daß sich die Passagiere wohl fühlen. Fahrplanauskünfte und die tätige Hilfe beim Gepäck gehören zum Servicerepertoire. Zudem, so hofft die S-Bahn-Leitung, sorgen die Fahrbegleiter, die bis zum Jahresende auf insgesamt 200 aufgestockt werden, dafür, daß der Vandalismus in den Zügen zurückgeht.

Acht Wochen lang wurde auch Ulrike Burwitz auf ihren neuen Job vorbereitet. Selbstverteidigung gehörte nicht zum Programm. „Bei einem Streit greifen wir nicht körperlich ein. Höchstens schlichtend, mit Worten.“Zur Not, so die gelernte Friseurin, müsse eben die Polizei benachrichtigt werden.

„Wir sind für den Service da, nicht für die Kontrolle“, bekräftigt ihr Kollege Martin Scheib. Betteln sei zwar in der S-Bahn verboten, „doch das heißt noch lange nicht, daß wir Bettler aus dem Zug schmeißen“. Auch da, so erklärt der ehemalige Erzieher, gebe es doch Hilfsangebote, etwa die Bahnhofsmission oder, für Junkies, das Drob Inn. Dem 30jährigen geht es vor allem um die Attraktivität des S-Bahnfahrens. „Wir haben schon darüber nachgedacht, ob man den Gästen nicht Kaffee und Brötchen im Zug anbieten sollte.“Die Ideen reichen bis zum Raucherwaggon oder einem Wochenend-Technozug für Jugendliche. Ob aus all dem je etwas wird, hängt von der Experimentierfreudigkeit der S-Bahn-Leitung ab.

Bisher ist alles ruhig an diesem ersten Tag. Dann, zwischen Hauptbahnhof und Berliner Tor, das erste Drama: Der Zug ruckelt, einem Fahrgast fliegt der Kaffeebecher aus der Hand. Braune Brühe ergießt sich auf den Fußboden. Ulrike Burwitz wird aktiv. „Vorsicht, naß!“warnt sie Neueinsteiger. Bei jedem Ruck der Bahn zieht der Kaffee weitere Muster durch den Waggon. Über Funk benachrichtigt die 43jährige den mobilen Reinigungsdienst. Denn fürs Putzen ist sie nicht zuständig. Gewischt wird erst eine halbe Stunde später in Poppenbüttel. Mobile Dienste brauchen Zeit. Vielleicht, sinniert Ulrike Burwitz, wäre da ein Service-Feudel pro Wagen doch etwas effektiver.