: Die Hochzeit des Jahres
Rotgrüne Homo-Ehe: Der rote Lutz und der grüne Farid trauen sich. 15.000 Menschen kommen zur lesbisch-schwulen CSD-Parade ■ Von Silke Mertins
Der rote Lutz zierte sich etwas. Doch dann konnte er dem grünen Farid und der mitreißenden Stimmung auf der diesjährigen Parade zum Christopher-Street-Day (CSD) doch nicht widerstehen. 15.000 Lesben und Schwule waren es am Samstag trotz Regen – soviele wie noch nie in Hamburg. Wenn er seine SPD-Fahne mitnehmen dürfte, sagte der Schwuso Lutz Kretschmann (36), dann würde er zu Farid Müller (35) in die GAL-Hochzeitskutsche steigen und die rotgrüne Homo-Ehe vollziehen. Gesagt, getan. Das junge Paar wird nach den Wahlen im September zusammen in der Bürgerschaft sitzen.
Genau wie Müller, will auch Kretschmann für Hamburgs Lesben und Schwule „soviel wie möglich herausholen“. Und „wie man es nennt, ist dabei egal“. Bei der GAL heißt es „Hamburger Ehe“und will auf Landesebene eine „registrierte Partnerschaft“erreichen. Mit Besuchs- und Auskunftsrecht in städtischen Krankenhäusern, Sozialwohnungen für gleichgeschlechtliche Paare und Aufenthaltsrecht für den nichtdeutschen Part binationaler Paare. All das könne die Hansestadt selbst regeln, während man auf den Machtwechsel in Bonn und die Durchsetzung einer „echten“Homo-Ehe wartet.
„Wenn das klappt, ziehen wir sofort nach Hamburg um“, hofft ein deutsch-brasilianisches Paar aus Bremen. Denn im nächsten Jahr droht der fünfjährigen Liebesbeziehung das Ende durch Abschiebung. Vorsichtshalber ließen sich die beiden schon mal am Samstag per GAL-Aktion trauen, grüne Heiratsurkunde inklusive.
„Der Begriff ,Hamburger Ehe' gaukelt den Leuten etwas Falsches vor“, ist Schwuso und SPD-Landesvorstandsmitglied Peter Maßmann sauer über die Offensive der GAL. „Das ist die Mogelpackung schlechthin.“Ohne eine Gesetzesänderung auf Bundesebene sei das keine Ehe, sondern Augenwischerei. Eine Registrierung von Homo-Lebensgemeinschaften lehnt er ab. In Erinnerung an die Nazi-Vergangenheit „sind viele in der Szene sehr empfindlich“.
Der zum rechten SPD-Flügel zählende Maßmann ist ohnehin kein Freund von Rotgrün. Nach der Parade schlendert er auf dem Jungfernstieg-Straßenfest beim Stand der Liberalen vorbei. „Ihr wißt ja, daß ich persönlich lieber mit der FDP möchte“, verrät er kein Geheimnis. Die FDP-Jungs konnten etwas Trost und Zuspruch gut gebrauchen. Ihr Spitzenkandidat Frank-Michael Wiegand wurde bei seiner CSD-Rede nachhaltig ausgepfiffen.
Schlimmer erging es nur noch dem Vertreter der CDU, Heino Vahldieck. Der Kampf der Lesben und Schwulen für ihre Rechte sei geradezu „vorbildlich“, schmeichelte er. Der Rest seiner Rede ging in „Ole! Ole!“-Rufen unter. Denn ursprünglich hatte der CSD den CDU-Bürgermeisterkandidaten Ole von Beust eingeladen. Der aber kam nicht. „Eine ganze neue Erfahrung“sei es, von Hunderten von ZuhörerInnen ausgebuht zu werden, so der geknickte CDUler Vahldieck. Und auch „neben jemandem im pinkfarbenen Kleid an der Pinkelrinne“zu stehen, habe er „noch nie erlebt“. In vielen Dingen „ist meine Partei einfach noch nicht soweit.“
Mit parteiinternen Widerständen hat auch Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) zu kämpfen. Mit seinem Segen sitzt Maßmann im Landesvorstand und erhielt Kretschmann einen sicheren Listenplatz. Vergangene Woche trat er zum ersten Mal öffentlich bei den Schwusos auf und sprach sich ebenso für Besuchs- und Auskunftsrecht wie auch für Wohnungsscheine aus; zwei zentrale Punkte der grünen „Hamburger Ehe“. Bei seinem kurzen Auftritt am Samstag auf dem CSD-Straßenfest wurde er entsprechend heftig bejubelt und war damit neben GAL-Spitzenfrau Krista Sager der einzige Politiker, der nicht ausgepfiffen wurde.
Das SPD-Werben um die Stimmen der etwa 200.000 Hamburger Lesben und Schwulen ist bitter nötig. Eine Umfrage der Schwusos vom vergangenen Jahr ergab, daß 45,7 Prozent der Lesben und Schwulen der GAL, aber nur 39,7 Prozent der SPD ihre Stimme geben würden.
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