piwik no script img

Gewerkschaften sind sich uneins

■ ÖTV und IG Chemie fordern neues „Bündnis für Arbeit“. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gegen neue Verhandlungen

Hannover/Köln (AFP) – Die Gewerkschaften streiten sich über den richtigen Weg zum Abbau der Arbeitslosigkeit. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel lehnte einen neuen Anlauf zum „Bündnis für Arbeit“ ab. Er sehe keine Chance auf eine Einigung mit der Regierung, sagte er. Auf einem IG-Metall-Treffen forderte Zwickel den Rücktritt der Regierung. Sie sei nicht in der Lage, die Arbeitslosigkeit abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Die Vorsitzenden von ÖTV und IG Chemie, Herbert Mai und Hubertus Schmoldt, sprachen sich dagegen für ein Bündnis aus. Schmoldt appellierte an Kanzler Helmut Kohl die Gespräche zwischen Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern neu zu beleben. Die Tarifpartner hätten durch „sehr moderate Tarifabschlüsse“ Vorleistungen gebracht, sagte Schmoldt. Zwickel lehnte neue Anstrengungen für eine gemeinsame Beschäftigungsinitiative ab. „Einen solchen Versuch macht man nur einmal“, sagte der IG-Metall-Chef. Wenn keine Bereitschaft zur Kooperation bestehe, ergebe sich zwangsläufig eine Konfliktstrategie.

Im Herbst 1995 gehörte Zwickel zu den Initiatoren des „Bündnisses für Arbeit“, mit dem Bundesregierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit treffen wollten. Im darauffolgenden April waren die Gespräche gescheitert. CDU-Generalsekretär Peter Hintze forderte Zwickel auf, „auf plumpe Polemik“ zu verzichten und statt dessen konstruktiv an der Sicherung des Standorts Deutschland mitzuarbeiten. Der Chef der ÖTV, Herbert Mai, forderte in einem Zeitungsinterview vor allem eine Offensive zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Er schränkte jedoch ein, daß er zur Zeit keine Basis für einen Konsens mit den Arbeitgebern sehe. Die Arbeitgeber seien „nicht wirklich an einer Lösung der Beschäftigungskrise interessiert“. Mai sprach sich gegen Lohnsenkungen aus. Die „moderaten Tarifabschlüsse der letzten Jahre“ hätten „keine Mehrbeschäftigung gebracht“.

IG-Chemie-Chef Schmoldt erwartet für das kommende Jahr gut 250.000 Arbeitslose weniger, wenn das „Bündnis für Arbeit“ wiederbelebt werden kann. Er forderte Regierung und Opposition auf, sich bei der Steuer- und Rentenreform nicht länger gegenseitig zu blockieren. Eine Senkung der Unternehmenssteuer auf etwa 35 Prozent und die Absenkung der Steuern für private Einkünfte auf unter 50 Prozent würde den Wirtschaftsstandort Deutschland verbessern.

Nach Ansicht der CDU-Sozialausschüsse sollen die Kirchen zu Gesprächen über ein neues Bündnis für Arbeit einladen. Der CDA- Bundesvorsitzende Rainer Eppelmann erklärte gestern in Leipzig, die Kirchen seien das „geeignete Sprachrohr“ der Arbeitslosen, die bisher nicht mit am Tisch gesessen hätten.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer forderte die Bundesregierung auf, bis Ende Juni zugesagte Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulung freizugeben. Sonst drohten bis zu 150.000 neue Arbeitslose, sagte sie dem Kölner Sonntag-Express.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen