: Atomisierte Stimmen für das Volk
■ Hamburg hätte bei einem Verkauf der HEW-Anteile als Volksaktie Vor- wie Nachteile
Die Stadt soll ihre Anteile an den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) nicht an einen Stromkonzern, sondern an das gemeine Volk verkaufen. Das fordert der Umweltverband Eurosolar. Ziel müsse es sein, eine weitere Monopolbildung in der Energiewirtschaft zu verhindern.
Die HEW-Anteile häppchenweise an viele Privat-Anleger zu verkaufen, sei „rechtlich und wirtschaftlich denkbar“, erklärt Prof. Hans-Gerwin Burgbacher, Rechtswissenschaftler an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik. Aber es wäre im Vergleich zum Verkauf an einen einzigen Interessenten (Paketverkauf) nicht lukrativ. Denn: Für letzteres gibt es – in der Sprache der Wirtschaftler – einen „Paketzuschlag“, da sich die Käufer mit dem Aktien-Bündel einen entsprechenden Einfluß auf das Unternehmen sichern.
Das gilt vor allem für solche Packungsgrößen, wie sie jetzt bei den HEW angeboten werden: 25 Prozent plus eine Aktie verleihen dem Besitzer die sogenannte Sperrminorität. Er kann wichtige Entscheidungen des Unternehmens blockieren. Dieses Recht muß er sich mit einem Aktienpreis weit über Börsenkurs erkaufen. Ein Paketzuschlag von zehn bis fünfzehn Prozent, so Burgbacher, „ist das, was man häufig hört“. Auch im Fall der HEW. Der momentane Börsenkurs beträgt 475 Mark je 50-DM-Aktie, für einen Paketverkauf ist ein Preis von 565 Mark im Gespräch, also fast zwanzig Prozent über dem Börsenwert.
Dazu kommt, daß bei einem Verkauf an Kleinaktionäre der Kurs der HEW-Aktie nach aller Wahrscheinlichkeit nachgeben würde. So schätzen es mehrere Analysten der Frankfurter Börse ein. Einer davon nannte konkrete Zahlen: Um „mindestens zehn Prozent“müßte der aktuelle Kurs nach seiner Einschätzung gesenkt werden, um die geballte Aktien-Ladung unter das Volk zu bringen. Dann lägen die Papiere bei höchstens 430 Mark. Der Paketverkauf brächte 30 Prozent mehr. Oder in Mark und Pfennig: Eine Differenz von schlappen 300 Millionen Mark.
Der Verkauf als Volksaktie hätte für die Stadt aber auch einen Vorteil: Sie würde sich keinen starken Gegenspieler in das Unternehmen holen. „Kleinaktionäre mit ihren atomisierten Stimmanteilen haben bei Abstimmungen keine Bedeutung“, erklärt Burgbacher. Bei einem breitgestreuten Verkauf der HEW-Anteile bliebe die Stadt mit ihren restlichen 25 Prozent die stärkste Gesellschafterin.
Nach Vorstellungen des Verbandes Eurosolar könnte die Stadt zusammen mit den Kleinaktionären eine dezentrale Energieversorgung mit kleinen, regenerativen Anlagen aufbauen. Mit einem weiteren Großaktionär – im Gespräch sind die Konzerne PreussenElektra (Hannover) und Sydkraft (Malmö) – würde „der Konzentrationsprozeß in der Stromwirtschaft weiter vorangetrieben werden“. Dadurch werden weitere Hürden gegen eine ökologische Energiewende aufgebaut.
„Grundsätzlich hätte hier keiner etwas gegen eine Volksaktie“, reagiert Kai Fabig, Sprecher der Hamburger Umweltbehörde, auf die Vorschläge von Eurosolar. „Aber man wird damit vermutlich nicht denselben Preis wie bei einem Paketverkauf erzielen können.“Und auf den kommt es dem Senat nun mal hauptsächlich an.
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