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NachgefragtMiese Muschel?

■ Interview mit Fischerei-Experten zur Qualität der deutschen Miesmuschel

In der Weser-Mündung sind extrem hohe Tributylzinn-Konzentrationen (TBT) gemessen worden (wir berichteten). Diese zinn-organische Verbindung greift auch Miesmuscheln an, wie sich jetzt in ersten Studien herausstellte. Problem: Bei anderen, gleichgearteten Verbindungen wird der Hormonhaushalt des Menschen angegriffen, was die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen kann. Die taz sprach mit dem Fischereiberater der Landwirtschaftskammer Weser-Ems, Peter Breckling, ob man die deutschen Miesmuscheln noch essen kann.

taz: Herr Breckling, wann ist eigentlich Muschelzeit?

Peter Breckling: Muschelzeit ist eigentlich von September bis März. Aber durch moderne Kühltechnik kann man Muscheln heute ganzjährig essen.

Wo kommen die Miesmuscheln her?

Die größten Miesmuschelproduzenten sitzen in Spanien, Dänemark und Holland. Es gibt zudem natürlich auch deutsche Miesmuscheln, die meistens über holländische Auktionshäuser oder vor Ort direkt verkauft werden. Die Miesmuschel kommt im Prinzip im ganzen Wattenmeer vor. Die Kulturen liegen aber verteilt zwischen Ems-Mündung und Jade. Dann gibt es noch viele Kulturen im nordfriesischen Watt – also nördlich von Eiderstedt bis zur dänischen Grenze hoch.

Wie wird die Qualität dieser Muscheln untersucht?

Das machen die Veterinärärzte in den einzelnen Landkreisen zusammen mit dem staatlichen Veterinäramt in Cuxhaven. Dazu gibt es noch ein spezielles Algen-Monitoring von der Forschungsstelle Küste. Denn für Muscheln generell sind nicht nur Schwermetalle ein Problem, sondern auch bestimmte Algen-Toxine. All das geschieht im Prinzip wöchentlich. Ob jetzt konkret auch TBT gemessen wird, weiß ich nicht.

Was bedeuten die TBT-Funde für den Muschel-Genießer?

Was die Qualität der deutschen Miesmuscheln anbelangt, habe ich keine großen Sorgen. Die Muschelkulturen liegen nicht in der Nähe der Hot-Spots der TBT-Belastung. TBT wird als Anti-Fowling-Mittel für Schiffe benutzt. Darum sind Hafenanlagen und teilweise die entsprechenden Flußmündungen die Hot-Spots. Und Muschelkulturen sind natürlich nicht zehn Meter, sondern 20, 30 oder gar 50 Kilometer davon entfernt.

Kann man die deutsche Miesmuschel auch nach den TBT-Funden jetzt noch essen?

Also ich esse sie bedenkenlos. Zumal die Erzeuger ein sehr gesteigertes Interesse an einer lückenlosen Kontrolle haben. Denn der kleinste Skandal wirft den ganzen Betrieb für Monate, wenn nicht Jahre nieder. Jede kleinste Muschel-Erkrankung fürchten die Produzenten wie der Teufel das Weihwasser.

Interview: Jens Tittmann

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