: Keine Chance für Bauarbeiter
■ Die Tariftreueerklärung stranguliert Baubetriebe. Berliner Unternehmer klagen: Anbieter mit Dumpingpreisen werden auch von öffentlichen Bauträgern bevorzugt
Die sogenannte „Tariftreueerklärung“ von Berliner Bauunternehmen erweist sich für Firmen als Auftragsfalle. Denn im Wettbewerb um die Vergabe für Arbeiten am Bau schnappen ihnen Unternehmer aus Bundesländern ohne Tariftreueklausel die Aufräge weg. Diese kalkulieren manchmal mit 16 Mark, 15 Mark und weniger pro Arbeitsstunde für ihre Mitarbeiter, während für hiesige Betriebe nichts unter Tarif geht. Das Lohnniveau liegt hier zwischen 17 und 25 Mark pro Stunde.
Bedenklich an der Misere ist nicht nur, daß dadurch immer weniger örtliche Betriebe auf Baustellen arbeiten. Skandalös ist, daß das Land als Auftraggeber das Lohndumping hinnimmt, indem es den günstigeren Anbietern den Auftrag zuschanzt – trotz der Zusicherungen, auf Berliner Baustellen gelte „für alle“ die Tariftreue.
Im Rahmen der Investorenkonferenz für städtische Wohnungsbaugesellschaften, die gestern tagte, sorgte ein Unternehmer für Heizungstechnik für Unruhe, ging ihm doch ein Auftrag der Landesbank Berlin wegen der Tariftreueerklärung verloren. Während er bei dem möglichen 40 Millionen- Auftrag mit rund 23 Mark pro Stunde kalkulieren mußte, erhielt eine brandenburgische Firma den Zuschlag. Die soll ihr Angebot knapp an der 16-Mark-Grenze gerechnet haben. „Die Landesbank vergibt öffentliche Aufträge billig ins Umland“, sagte der Firmenchef, „und wir sollen uns an die gesetzlichen Vereinbarungen halten.“ Das sei doch „widersinnig“. Das Land unterlaufe seine eigenen Ansprüche.
Für Wirtschaftssentor Elmar Pieroth (CDU) bedeutete der Hinweis nicht, sich für die tariflichen Bestimmungen stark zu machen und politisch in den Wettbewerb einzugreifen. Der Senator räumte zwar ein, daß dies bedauerlich sei, er unterstrich aber, daß er eine Bevorzugung „auf dem feien Markt“ für Berliner Unternehmen als schädlich ansehe. Die Chancen regionaler Anbieter im Wettbewerb dürften nicht geschmälert werden.
Pieroth betonte allerdings, daß der Senat Anstrengungen mache, für kleine Betriebe in der Stadt bessere Ausgangsbedingungen im Wettbewerb zu schaffen. So sollten Aufträge „grundsätzlich nur kleinteilig“ vergeben werden. Unternehmen würden frühzeitig über Ausschreibungen informiert. Er forderte die Betriebe auf, Bietergemeinschaften zu bilden.
Nach Ansicht von IG-BAU- Mitarbeiter Reetmaier herrscht auf örtlichen Baustellen – trotz der Tarifbindung auch für auswärtige Unternehmen – „ein Tarifchaos“. Etwa auf Baustellen des Bundes gehe es „wild“ zu. Er forderte Bauarbeiter auf, Unterbezahlungen anzuzeigen. Rolf Lautenschläger
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