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CDU-Frau als „Doppelagentin“

■ Zoff im Aufsichtsrat der städtischen Krankenhäuser: Kann eine Krankenkassenvertreterin gleichzeitig Klinik-Interessen vertreten?

Es gibt Zoff im „Aufsichtsrat“der städtischen Kliniken: Mitten unter den 16 gewählten VolksvertreterInnen und Fachleuten sitzt im Krankenhausausschuß mit Andrea Kaula eine Vertreterin aus dem „gegnerischen Lager“der Krankenkassen. Genauer: der Ersatzkrankenkassen. Das bewerten nicht nur Vertreter anderer Kassen, wie der AOK skeptisch als „eine wenig glückliche Interessenkollision“. Schließlich bekommt etwa die AOK interne Finanzinformationen aus den vier städtischen Kliniken nicht frei Haus serviert. Und auch die 15 weiteren Ausschuß-Mitglieder sehen sich darin behindert, ihre Aufgaben als „AufsichtsrätInnen“zugunsten der Kliniken und ihrer Interessen wahrzunehmen.

„Wie soll man Strategien bei den Verhandlungen um Bettenfinanzierung und Budgets für Kliniken besprechen, wenn die Gegenseite mit am Tisch sitzt und jedes Detail hört?“, fragen viele. Erste Witze machen bereits die Runde: „Das wäre ja, als wenn Franz Beckenbauer ins Werder-Präsidium berufen würde.“Ein Unding also.

Die umstrittene Person, Andrea Kaula, war auf dem CDU-Ticket als Fachfrau in den Ausschuß gewählt worden. Seitdem bekommt die Leiterin der Landesvertretung der Ersatzkassenverbände in Bremen als Klinik-Aufsichtsrätin sämtliche Informationen. Doch tatsächlich verkneifen sich immer mehr Ausschußmitglieder, brisante Themen in diesem Kreis offen anzusprechen. „Aus der Sicht eines Arbeitnehmervertreters muß ich darauf dringen, daß freigewordene Stellen schnell wieder besetzt werden“, schildert Lothar Schröder das Dilemma. Allzuschnell könnten eingesparte Personalgehälter sonst in anderen Kanälen versickern – oder ganz gestrichen werden, so der Bedienstetenvertreter im Ausschuß. Schröder hat sich dabei beobachtet, heiße Themen neuerdings nur auf Umwegen anzusprechen. Die Kassenvertreterin könnte mittels ihrer Intimkenntnis sonst Schlüsse im Interesse ihres Arbeitgebers ziehen – und ihr Detailwissen nicht zuletzt gegen die Interessen der Klinikangestellten nutzen.

Belege dafür gibt es zwar nicht. Im Gegenteil wird Andrea Kaula als Fachfrau allseits geschätzt – nicht aber ihre Doppelfunktion. „Man kann nicht einerseits knallhart für die Kassen möglichst günstig verhandeln und andererseits die Interessen der Krankenhäuser vertreten. Da liegt ein Widerspruch“, sagt das SPD-Mitglied im Ausschuß, Waltraud Hammerström. Sie thematisierte dies bereits bei der letzten Ausschußsitzung – bislang ohne Konsequenzen seitens der betroffenen Ausschuß-Kollegin, wie die Grüne Vertreterin Christa Bernbacher feststellt. Auch AfB-Vertreterin Elke Kröning würde sofort gegen Kaula im Ausschuß stimmen, sagt sie. „Die CDU muß endlich eine geschicktere Personalpolitik machen.“Die CDU-Kollegen im Ausschuß waren gestern nicht zu erreichen – und Andrea Kaula ist vorerst im Urlaub.

Hintergrund des Ärgers ist der wachsende Druck auf die Kliniken. Patienten sollen möglichst schnell nach der Operation entlassen oder ambulant operiert werden. Das bringt weniger Einnahmen, weil die ersten Behandlungstage am meisten kosten und die einträglichsten letzten gestrichen werden. Mehr noch: Für das laufende Jahr 1997 stehen die Einnahmen pro Krankenhausbett noch nicht fest. Die Budgets wurden mit dem Vertragspartner der Kliniken, den Krankenkassen, noch nicht verhandelt. Vor diesem wackeligen Hintergrund und wegen zurückgegangenen „Belegtagen“sprechen Verwaltungsdirektoren so ernst wie selten zuvor von der Gefahr, daß einzelne Häuser ins Minus rutschen. ede

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