: Spalten statt versöhnen: Der Kronprinz greift an
■ Neue Spekulationen um die Nachfolge von Johannes Rau als Ministerpräsident in NRW: Wolfgang Clement sendet versteckte Botschaften an seinen alten Chef
Düsseldorf (taz) – Das Dementi aus der Düsseldorfer Staatskanzlei kam prompt. Die Nachrichtenagenturen hatten die Botschaft von einem in Aussicht stehenden baldigen Wechsel an der Spitze der nordrhein-westfälischen Regierung kaum ausgespuckt, da folgte schon der Konter der Rau-Getreuen. Daß Wirtschaftsminister Wolfgang Clement im Interview mit der Woche erstmals zu erkennen gegeben hatte, die Amtsübergabe von Johannes Rau an ihn werde noch vor der Bundestagswahl 1998 über die Bühne gehen, sei reine „Spekulation“. Raus Sprecher Norbert Walter-Borjans suchte Clements Formulierungen sogleich als „gewohnt bissig-ironisch“ abzutun.
Doch mit Ironie hat der Clement-Vorstoß nichts zu tun. Im Gegenteil, die Worte waren mit klarer Absicht wohl gesetzt. Auf die Bemerkung im Interview, alle seine zuvor gemachten Aussagen ließen nur den Schluß zu, daß der Wechsel in Düsseldorf noch vor der Bundestagswahl 1998 vollzogen werde, antwortete Clement wörtlich: „Sie beweisen damit eine außerordentliche Gedankenschärfe.“ Genau diese Wechselbotschaft wollte die Staatskanzlei mit ihrem Dementi aus der Welt bringen – und sorgte so unfreiwillig für ein bißchen mehr Klarheit. Denn Rau will sein Amt nicht räumen. Er träumt immer noch davon, 1999 Bundespräsident zu werden – als Rentner ohne Amt hätte er keine Chancen. Seine Interessen und die von Clement sind deshalb nicht mehr kompatibel, auch wenn sich beide öffentlich mit Loyalitätsbekundungen überhäufen. Weil das keiner von beiden auf offener Bühne einräumen kann, häufen sich die versteckten Botschaften. In der vorigen Woche hatte Clement seinen Anspruch auf die Nachfolge offensiv angemeldet.
Im Blick haben beide dabei den SPD-Landesparteitag im Januar 1997. Dann wird der Landesvorsitzende neu gewählt. Tritt Rau, der gestern abend sein 20jähriges Jubiläum in dieser Funktion feierte, erneut an, stünde Clement vorläufig auf dem Abstellgleis. Die Frage ist, ob die Landes-SPD da mitmachen würde. Turnusgemäß stehen in NRW die nächsten Wahlen im Jahr 2000 an. Ein Nachfolger brauche zwei Jahre, um sich zu profilieren, hat dieser Tage der frühere SPD-Fraktionschef Friedhelm Farthmann gemahnt. Wer das nicht beachte, „würde unverantwortlich mit den Wahlchancen der SPD umgehen“.
Walter Jakobs
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