: Startschuß für die Steuerreform
Der Bundestag hat die Steuerreform 1998 und 1999 verabschiedet. Koalition verspricht Wachstum. SPD will Lohnnebenkosten senken. Bündnisgrüne: Durchschnittsverdiener zahlen drauf ■ Von Markus Franz
Der erste Satz in der Bundestagsdebatte über die Steuerreform war schlicht. Und ob er wahr ist, weiß niemand. Demonstrativen Beifall gab es dennoch von den Koalitionspolitikern. „Wir schließen heute eine Reform ab, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen wird“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der CDU, Gerda Hasselfeldt. Aus den Reihen der Opposition kam Gelächter.
Mit den Stimmen der Koalition hat der Bundestag die Steuerreform 1998 und 1999 verabschiedet. Doch was die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit angeht, zeigte sich selbst Wolfgang Schäuble skeptisch: „Ich sage ja nicht, die Steuerreform löst das Arbeitsmarktproblem“, meinte der Unions-Fraktionschef. Das hatte zuvor auch die Finanzexpertin der SPD, Ingrid Matthäus-Maier, in einer vielbeklatschten Rede behauptet. „Nicht die Steuern sind das Problem für die Arbeitsplätze, sondern die Lohnnebenkosten.“ Die Steuerquote sei 1996 auf 22,5 Prozent zurückgegangen. Von den 800 Milliarden Mark Steuern müßten die Unternehmer weniger als zehn Prozent zahlen. In Ländern wie Schweden, Belgien und selbst den Niederlanden sei der Spitzensteuersatz höher als in Deutschland. Wozu sei es gut, fragte Matthäus- Maier, wenn Verheiratete mit einem Einkommen von 500.000 Mark um 48.736 Mark entlastet würden? Das eigentliche Problem, sagte sie, seien die zu hohen Lohnnebenkosten. Wenn die Koalition einverstanden sei, könnten die Lohnnebenkosten schon zum 1. Oktober dieses Jahres gesenkt werden.
Doch es war nicht der Tag der Kompromisse. Finanzminister Theo Waigel (CDU) forderte die SPD zwar zur Zusammenarbeit auf, sagte aber nicht, wo Kompromisse möglich seien. Er beließ es bei der Empfehlung: „Sie sollten nicht die rückständigsten Sozialdemokraten in Europa sein.“ Wolfgang Schäuble hielt der SPD ihre Blockadepolitik vor und kritisierte, daß die Sozialdemokraten „durch ein taktisches Spielchen nach dem anderen“ eine Einigung verspielt hätten. Zu Detlev von Larcher (SPD) sagte er: „Als Sie gegen 9.30 Uhr gesprochen haben, hat das Wort Morgengrauen eine ganz neue Bedeutung gewonnen.“
Die Bündnisgrünen warfen der Koalition vor, ihre Steuerpläne gingen vor allem zu Lasten des Durchschnittsverdieners. Es sei „unverschämt“, wenn von einer angeblichen Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark die Rede sei, die Bürger jedoch über eine erhöhte Mehrwertsteuer wieder neu belastet werden sollten. „Die Konsequenz ist“, so die finanzpolitische Sprecherin Christine Scheel, „der kleine Bürger zahlt drauf.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen