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Nutzt Luftwaffe gefährlichen Raketentyp?

■ Die Bundeswehr soll in Ex-Jugoslawien Raketen eingesetzt haben, die mitunter unkontrolliert fliegen und detonieren. Die Hardthöhe dementiert entschieden

Bonn (taz) – Politische und persönliche Konsequenzen haben Oppositionspolitiker gestern in Bonn gefordert, falls sich Informationen des ARD-Fernsehmagazins Panorama als zutreffend erweisen sollten. Dem Bericht zufolge habe die Bundeswehr bei ihrer Mission im ehemaligen Jugoslawien eine unsichere Rakete eingesetzt, die sowohl die Zivilbevölkerung als auch die eigenen Soldaten gefährdete. Verteidigungsminister Volker Rühe wird heute im Bonner Verteidigungsausschuß zu den Vorwürfen Stellung nehmen.

Aus einem Geheimbericht der Hardthöhe gehe hervor, daß die Rakete „Harm“ der ECR-Tornados „mehrfach unkontrolliert weitergeflogen und detoniert“ sei, meldet Panorama. Die militärische Führung soll schon seit 1995 über Schwachstellen im System informiert sein. Offen sei, ob auch Volker Rühe davon gewußt habe.

Die Hardthöhe hat gestern die Angaben von Panorama scharf zurückgewiesen. „Weder die Truppe noch die Zivilbevölkerung waren zu irgendeinem Zeitpunkt gefährdet“, sagte ein Sprecher zur taz, es gebe keinen Systemfehler. Deutsche ECR-Tornados hätten keinen einzigen Lenkflugkörper „Harm“ in Ex-Jugoslawien abgeschossen. Daher seien alle derartigen Behauptungen gegenstandslos. Keine Angaben konnte der Sprecher darüber machen, ob andere als deutsche Militärs die Waffe in Ex-Jugoslawien eingesetzt haben.

Im April dieses Jahres hatte allerdings das Ministerium dem Verteidigungsausschuß eine nicht im Haushalt ausgewiesene Beschaffungsvorlage zur Verbesserung des Systems mit einem besonderen Eilvermerk vorgelegt. Die Eilbedürftigkeit sei mit „Bündnisinteressen“ begründet worden, hieß es aus Ausschußkreisen. Ein Ministeriumssprecher erklärte gestern, es sei um eine Modernisierung des Systems gegangen, nicht, um einen Systemfehler zu beheben.

Der SPD-Wehrexperte Walter Kolbow hat eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe gefordert. Minister Rühe trage die politische Verantwortung. Kolbow bezeichnete den Raketentyp gestern als „mangelhaft“. Es habe mit ihm in Ex-Jugoslawien 800 Einsätze gegeben.

„Wenn sich das alles bestätigt, ist es in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel“, sagte Angelika Beer von den Grünen. „Wenn es mit Wissen des Verteidigungsministers geschehen ist, dann ist das ein ungeheuerlicher Vorgang. Sollte Rühe davon nichts gewußt haben, dann hat ihm die militärische Führung das Primat der Politik aus der Hand genommen.“

Gegenwärtig stehen die ECR- Tornados mit ihren Raketen einsatzbereit auf dem Fliegerhorst im bayerischen Lechfeld. Sollte die Situation im ehemaligen Jugoslawien eskalieren, werden sie wieder eingesetzt. Bettina Gaus

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