: Zurück in die Türkei, ins Nichts
■ Behörde will kurdische Jugendliche zur Ausreise zwingen
Bei Familie Yilmaz in Neukölln schläft seit einiger Zeit niemand mehr ruhig. Denn die Pässe der vierzehn-, siebzehn- und achtzehnjährigen Kinder wurden von der Ausländerbehörde eingezogen, sie selbst wurden aufgefordert, die Bundesrepublik bis zum 10. Juli zu verlassen. Für alle drei hat ihr Vater, ein Kurde mit gültiger Aufenthaltserlaubnis, das alleinige Sorgerecht. In der Türkei haben die drei Jugendlichen keine Bezugspersonen außer einer Großmutter.
Günes, Mehmet und Emine waren Anfang 1994 nach Berlin gezogen, wo ihr Vater Mahmut bereits längere Zeit arbeitete und eine deutsche Frau geheiratet hatte. Die drei Jugendlichen besuchten hier die Schule, und Emine erhielt von Oberbürgermeister Eberhard Diepgen eine Auszeichnung für besondere Leistungen. Obwohl sich die leibliche Mutter in der Türkei nie richtig um die Kinder gekümmert hat, wurde ihnen die Aufenthaltserlaubnis verweigert.
„Allein aus humanitären Gründen muß über ihren Fall positiv entschieden werden“, urteilt der Anwalt Lüder Suling. „Es wäre eine außergewöhnliche Härte, die Kinder jetzt zurückzuschicken.“ Die drei selbst sind völlig durcheinander, und die Älteste, so befürchtet Frau Yilmaz, ist stark selbstmordgefährdet.
Die Geschichte der Familie Yilmaz ist kein Einzelfall. Gerade Kindern, die ihren Vätern aus der Türkei in die Bundesrepublik nachziehen, erteilen deutsche Behörden ungern eine Aufenthaltserlaubnis. Besonders dann, wenn die Kinder zunächst in die Bundesrepublik einreisen und erst nachträglich, wie auch bei Yilmaz geschehen, ein türkisches Gericht den Vätern das Sorgerecht zuspricht. Dann, so die Ausländerbeauftragte Barbara John, gehe man in Deutschland meist von Gefälligkeitsgutachten aus.
Dies trifft ebenfalls auf die Familie Tas zu. Sie erhielt letzte Woche den Bescheid, daß der zweijährige, schwerbehinderte Sohn die Bundesrepublik innerhalb von vier Wochen verlassen müsse. Das Kind lebt seit einem Jahr bei dem leiblichen Vater und dessen deutscher Frau. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder, bei dem der Vater schon lange über das Sorgerecht verfügt, hat der Vater Ahmet erst nach Deutschland geholt und dann das Sorgerecht beantragt. Gudula Hörr
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