piwik no script img

Kein Jux, sondern Reiterei

■ Heute beginnen in Paris die Weltmeisterschaften der Mounted Games. Der Hamburger Mark Skubatz und sein Pony „Filou“starten bei den Sattelspielen

Kurz vor dem Start wackelt Filou noch einmal mit den Ohren. Der 23 Jahre alte Welsch-Araber wirkt gelangweilt und würde wohl am liebsten stehenbleiben. Dabei geht es gleich um Sekunden. Dann das Kommando: Das Pony gehorcht und prescht los. Obenauf im Sattel sitzt der 19jährige Mark Skubatz, für den Hamburger Reit- und Fahrverein Vierlanden am Start. Tief herabgebeugt wirft er „Socken“zielsicher in Eimer, sammelt „Abfall“auf oder läßt Luftballons mit Hilfe einer spitzen Lanze platzen.

Das sind jedoch nur drei seiner Lieblingsspiele. Insgesamt gibt es über 20 Spielformen, die er gerne hat. „Mounted Games“heißen die Reiterspiele, die Skubatz seit nunmehr drei Jahren in ihren Bann ziehen, hierzulande aber noch weitgehend unbekannt sind. „Viele denken, es sei Juxreiterei“, ärgert er sich häufig über abfällige Bemerkungen, „die Leute sehen einfach nicht, daß reiterliches Können und vor allem die Harmonie zwischen Mensch und Tier dazugehören.“

Kein Respekt, dabei gehen die Ursprünge der Mounted Games einige Jahrhunderte zurück. Auf den Höfen der indischen Maharadjas wurden die Spiele erstmals betrieben. Auf dem Kolonialweg fanden die Reiterspiele ihren Weg nach Großbritannien. Dort erlangten sie in nur kurzer Zeit große Popularität.

Über die Jahre wurden die Spiele standardisiert und perfektioniert. Sie entwickelten sich sogar zu einer Art Nationalsport. Zahlreiche Turniere werden ausgetragen, die sogenannten „Gymkhanas“, was aus dem Indischen übersetzt sinngemäß „ein Tag auf dem Rücken eines Pferdes“bedeutet.

Heute sind in England mehr als 100 Clubs in zwei Verbänden organisiert. Höhepunkt eines jeden Reiterspiel-Jahres ist die Meisterschafts-Endrunde im Rahmen der „Horse Of The Year Show“im Londoner Wembleystadion. „Es ist das absolut Größte, bei einer Gymkhana auf der Insel zu reiten“, erinnert sich Mark Skubatz an die vergangene Saison, als er längere Zeit in England verbrachte. Dort kämen Tausende von Zuschauern.

Soweit ist es in Deutschland noch lange nicht. Erst seit rund acht Jahren finden die Mounted Games hier ihre Anhängerschaft. Immerhin 30 Mannschaften, vornehmlich aus dem norddeutschen Raum, sind in dieser Saison dabei. Vor vier Jahren wurden erstmals Deutsche Meisterschaften ausgeritten.

Die aus dem Englischen übernommenen Spielnamen (siehe Kasten) geben zwar häufig Grund zur Irritation. „Es sind aber keine echten Socken und Abfälle, sondern nur so genannte Spielgeräte, die zum Einsatz kommen“, beruhigt Skubatz, der vom Voltigieren zu den Mounted Games kam.

Mit dem Gewinn der Deutschen Einzelmeisterschaft 1995 sowie der Deutschen Paarmeisterschaft 1997 konnte er seine größten Erfolge verbuchen. „Filou und ich sind ein richtiges Team. Ohne gegenseitiges Vertrauen würde gar nichts laufen“, sagt der Tierfreund, der neben seinem Pony noch ein Pferd sowie diverse Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben und Mäuse beherbergt. „Tiere sind meine große Leidenschaft.“Auch nach dem Ableisten seines Zivildienstes wird Skabatz nicht von ihnen lassen und im August des nächsten Jahres eine dreieinhalbjährige Ausbildung als Hufschmied beginnen.

Doch zuvor erwartet ihn ein weiteres sportliches Highlight. Heute beginnen in der Nähe von Paris die Weltmeisterschaften. Mit der Deutschen Mounted-Games-Nationalmannschaft wird Skabatz gegen die überaus starke Konkurrenz aus England, Kanada, den USA sowie sechs weiteren Nationen reiten. Es ist nach der Weltmeisterschaft 1996 in Schweden seine zweite Teilnahme an internationalen Titelkämpfen.

Im vergangenen Jahr belegte das deutsche Nationalteam den ersten Platz – allerdings nur im B-Finale. „Das Erreichen des A-Finales ist unser großes Ziel. Natürlich setze ich auch verstärkt auf Marks Erfahrung“, lobt Bundestrainer Klaus Käshammer aus Hohen-esch bei Itzehoe. „Er ist derzeit der beste deutsche Reiter und wird eine führende Rolle übernehmen.“

Daß Skabatz der einzige männliche Reiter im Team neben seinen Mannschaftskolleginnen aus Hartenholm, Hohenesch, Nordheide und Dahmeland ist, störe ihn nicht. Die Frauen hätten nun einmal die numerische Überlegenheit in den Reitsportarten. Viel wichtiger ist ihm etwas anderes: „Hauptsache Filou macht keinen Blödsinn.“Oliver Lück

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen