: Schlachtfeld Hebron
■ Droht eine neue, blutige Eskalation in Palästina?
Als das Abkommen über den „Rückzug“ Israels aus Hebron unterschrieben wurde, war klar, daß die Stadt ein Schlachtfeld bleiben wird. Denn der Zustand, der seitdem herrscht, ist verrückt: Eine Gruppe von fanatischen Siedlern lebt mitten in einer arabischen Stadt, behütet von Hunderten von Soldaten, die diesen Dienst und die Siedler hassen. Ein Pulverfaß.
Der Anlaß war diesmal ein von extremistischen Siedlern verbreitetes Flugblatt: Es zeigt den Propheten Muhammad als Schwein, die Vorderbeine auf dem Koran. Eine schlimmere Lästerung kann sich kein Muslim vorstellen. Salman Rushdie ist dagegen ein Engel.
Hebron – auf arabisch Al-Halil, Liebling Allahs – ist die religiöseste islamische Stadt in Palästina. Das Flugblatt entzündete einen Kleinkrieg. Palästinensische Kinder und Jugendliche gegen schwerbewaffnete Soldaten, Steine und Molotowcocktails gegen Stahlkugeln, die auf kurze Entfernung tödlich sein können.
Nun ist Netanjahu wütend, weil die palästinensischen Streitkräfte in Hebron nichts gegen die Demonstranten unternehmen. Da die israelische Regierung sie als eine Art Hilfspolizei der „indirekten Besatzung“ betrachtet, wirft man Arafat vor, er sabotiere den Frieden. Aber von Frieden kann keine Rede sein. Hebron ist nur die vorderste Front des israelisch-palästinensischen Krieges, der, durch Oslo kurz unterbrochen, heute im ganzen Land wieder entbrannt ist. Es geht um den Boden – an Hunderten von verschiedenen Orten werden Hunderte von verschiedenen Methoden angewendet, um palästinensischen Boden zu enteignen, „Umgehungsstraßen“ zu bauen, Siedlungen zu „erweitern“, Gebiete abzusperren, arabische Dörfer zu annektieren, Beduinen zu vertreiben – ein unermüdlicher Kampf, an dem täglich eine ganze Armee von Enteignern beteiligt ist: Regierungsbeamte, Offiziere, Siedler, Juristen, Architekten.
Und dagegen – der palästinensische Widerstand, zäh, meistens gewaltlos, manchmal gewalttätig, von unten kommend, oben von Arafat gesteuert, oft mit Unterstützung der israelischen Friedensgruppen. Vorläufig fließt noch wenig Blut – aber das wird sich höchstwahrscheinlich sehr bald ändern. Darüber sind sich praktisch alle hohen Offiziere und Sicherheitsexperten in Israel einig. Uri Avnery
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