■ Bonn apart: Der Toleranztest
Leser der taz sind Flaschen und Pfeifen! Erst recht Klugscheißer! Und Lumpen sowieso! Jedenfalls diejenigen taz-Leser, die Politiker sind. Das haben die Herren Lafontaine, Kohl und Schäuble in den letzten Wochen behauptet. Für Lafontaine sind die Abgeordneten Flaschen und Pfeifen. Kohl bezeichnet seine Kritiker von der Parteibasis als Klugscheißer. Nur Schäuble nimmt die eigenen Leute aus: Lediglich Sozis nennt er Lumpen.
Im Namen der Politiker in unserer Leserschaft sind wir empört. Was würden die drei besagten Herren sagen, wenn wir sie etwa als arrogante Arschlöcher oder als elende Dummschwätzer beschimpfen würden, was wir natürlich nicht tun. Das dürfen wir gar nicht. Das wollen wir auch nicht. Wir sind schließlich keine verdammten Politiker.
Zum Glück sind wir in unserer Empörung nicht allein. Einige wackere, noch nicht völlig verkommene Politiker finden diese Attacken selbst zum Kotzen. Wie der parlamentarische Staatssekretär der Sozis, Peter Struck, zum Beispiel. Der hat dem Schäuble geschrieben, daß er solche abgefuckten Beleidigungen gar nicht die feine Art findet. Scheißhöflich hat der Schäuble zurückgeschrieben, so einen gottverdammten Mist hätte er nicht gesagt. Und auch der Kohl hat gescheinheiligt, daß er nicht seine eigenen dämlichen Leute als Klugscheißer bezeichnet hat, sondern die abgefuckten Medienleute. Nur Lafontaine hat es nicht mal für scheißnötig gehalten, eine saublöde Entschuldigung zu heucheln.
Doch worüber, verflucht noch mal, regen wir uns eigentlich so furzspießig auf? In Anbetracht der Dreckspolitik dieser gottverfluchten Politiker, die uns immer weiter in die Scheiße reiten, wäre es doch nur arschige Scheinheiligkeit, wenn wir uns gegenseitig heuchlerisch mit Samthandschühchen anfaßten.
Also, Ihr Lumpen, Klugscheißer, Flaschen und Pfeifen, macht am besten weiter so wie bisher. Und nichts für ungut. Markus Franz
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