: „Das nennt ihr Menschenwürde?“
■ Demo gegen Brechmittel – Justiz will weiter brechen lassen
„In höchstem Maße unärztlich“– so bezeichnete der niedergelassene Arzt Hans-Joachim Streicher den Brechmittel-Einsatz von Ärzten aus dem ZKH St.-Jürgen-Straße am Samstag auf einer Demonstration. Etwa 50 Menschen folgten dem Aufruf des Anti-Rassismus-Büro. Sie protestierten gegen die Praxis der Bremer Polizei und des ärztlichen Beweissicherungsdienstes, bei vermeintlichen Drogenhändlern – in den meisten Fällen Afrikaner – verschluckte Drogencontainer gewaltsam sicherzustellen.
Tagelanges blutiges Erbrechen und seelische Traumata seien nicht seltene Begleiterscheinungen bei der Zwangsbehandlung mit dem Brechmittel Ipacacuanha, so Streicher. Das ARAB stellte dar, daß die behandelnden Ärzte durch fehlende Anamnese und die zwangsweise Einführung von Nasensonden schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen in Kauf nähmen.
In einem Fall wurde der Arzt Hans-Joachim Streicher vom Beweissicherungsdienst gebeten, der Behandlung eines magenkranken 17jährigen Afrikaner mit dem Brechmittel Ipecac zuzustimmen. Als er diese kategorisch ablehnte, wurde der Jugendliche per Ultraschall auf mögliche Drogenpäckchen im Magen untersucht. „Ich kann nicht beurteilen, ob Ultraschall mittlerweile ausreicht, um Fremdkörper festzustellen. Die Verwendung von Ipecac ist jedenfalls in höchstem Maße unärztlich.“
Am Rande der Demonstration verteidigten zwei Polizeibeamte in einer Diskussion mit einem Teilnehmer den Brechmitteleinsatz. Nicht die Verfolgung von Drogenhändlern kritisierte der Demonstrant, sondern die Mittel der Beweissicherung. „Sollen wir denn in deren Scheiße rumwühlen?“, fragte ein Polizist in Zivil. „Das nennt ihr dann Menschenwürde?!“
Amnesty international hat jetzt in einem Bericht die „grausame, erniedrigende und unmenschliche Behandlung“in Bremen kritisiert. Die Bremer Justizbehörden beharren jedoch auf dem Einsatz von Brechmittel als rechtmäßiges Mittel im Kampf gegen Drogenhändler. Vorwürfe von Mißhandlungen und Rassismus weisen sie von sich. Justizstaatsrat Ulrich Mäurer in einer Presseerklärung: „Die staatsanwaltlichen Ermittlungen haben solche Vorwürfe bisher in den meisten Fällen nicht erhärtet. In einigen Fällen laufen die Ermittlungen noch.“Das Anti-Rassismus-Büro wirft der Staatsanwaltschaft jedoch gezielte Verschleppung von Ermittlungsverfahren gegen Polizisten und Ärzte des Beweissicherungsdienstes vor. bik
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