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„Reiner Service für Sozialverwaltung“

Die Magazinläden für AsylbewerberInnen werden von der Sorat GmbH gemanagt, die ihr Geld mit Hotels und Heimen verdient. Kritiker: „Durch Elend der Flüchtlinge reich geworden“  ■ Von Julia Naumann

Das „Sachleistungsmagazin“ für AsylbewerberInnen in der Kreuzberger Methfesselstraße ist wie fast jeden Tag in den Mittagsstunden völlig überfüllt. Kein Wunder, denn der Laden schließt bereits um 16 Uhr, am Freitag schon um 15 Uhr. Es gibt keine Einkaufswagen, die Waren müssen in großen Plastikkisten zur Kasse getragen werden. In dem kleinen Laden müssen rund 1.400 Asylsuchende aus der ganzen Stadt seit dem 1. Juni ihre Lebensmittel per Chipkarte kaufen. 800 weitere AsylbewerberInnen müssen dafür in die Holzhauser Straße nach Reinickendorf fahren.

Betreiber der beiden „Sachleistungsmagazine“ ist die Sorat GmbH. Sie gehört zur Sorat-Firmengruppe. Hinter der Gruppe mit ihren etwa zwanzig Neben- und Tochterfirmen stehen die Baulöwen Helmuth Penz, Dietrich Garski und Wilhelm Pleß. Das Unternehmen hat zwei Gesichter: Einerseits betreibt die Firmengruppe fünf Mittelklassehotels und in der Info-Box am Potsdamer Platz die „Sorat-Lunch-Box“, wo man laut Werbeprospekt bei einem „Imbiß die Entstehung des neuen Business- und Erlebnis-Zentrums beobachten kann“.

Andererseits bezeichnete die bündnisgrüne Politikerin Elisabeth Ziemer 1994 die Sorat wegen ihrer Vermietungspraxis gegenüber Flüchtlingen als „Hai im Flüchtlingsgeschäft, der sich am Elend der Leute eine goldene Nase verdient“. Die Sorat GmbH unterhält nach Angaben von Jürgen Haehnsen, dem Abteilungsleiter Soziale Dienste bei Sorat, etwa zwanzig Heime für Asylbewerber, bosnische Kriegsflüchtlinge, Aussiedler und Obdachlose.

Vor fünf Wochen trat die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Kraft, nach dem AsylbewerberInnen außer einem Taschengeld zwischen 40 und 80 Mark von der Sozialverwaltung kein Bargeld, sondern nur noch Sachleistungen bekommen. Danach eröffnete Sorat den Laden in der Methfesselstraße (siehe auch taz vom 8. 7. 1997). Das Magazin in Reinickendorf besteht bereits seit knapp zwei Jahren. Beide Läden sind einem Asylbewerberheim angegliedert.

Daß Sorat die beiden Magazine betreibt, sei als „reine Serviceleistung für die Sozialverwaltung“ zu sehen, so Haehnsen. „Es werden keinerlei Gewinne durch die Magazinläden erwirtschaftet“, betont er. Sämtliche Kosten für Personal, Räume, Einrichtung und Energie der Läden trägt der Senat. Die GmbH verdiene lediglich an den Heimen. Der durchschnittliche Tagessatz, so Wolf-Rüdiger Westphal von der Sozialverwaltung, betrage 23 Mark pro Tag pro BewohnerIn. Sorat würde davon 3 Prozent Gewinn erwirtschaften.

Aus „logistischen Gründen“ sei es sinnvoll gewesen, Sorat auch die Läden zu übertragen, so Westphal von der Sozialverwaltung. Beliefert würden diese von der Supermarktkette Spar: zu Großhandelspreisen, die jedoch bei vielen Produkten weit über den Preisen von Billigdiscountern wie beispielsweise Aldi liegen. So kostet ein halbes Kilo Tee 15 Mark, ein Pfund Spaghetti aus Hartweizen 1,40 Mark. 500 Gramm Kaffee gibt es nur für knapp 11 Mark, billigere Sorten sind oft ausverkauft. Auch Zucker ist rar: lediglich Würfelzucker wird angeboten, loser Zucker im Kilopack ist oft nicht zu haben. Auch keine alkoholischen Getränke, keine Schreibwaren und Schulhefte. Andere, billigere Ketten hätten sich, so Westphal, nicht zur Verfügung gestellt: „Dazu ist unser Kundenkreis wahrscheinlich zu klein.“

Ob weitere Läden eingerichtet werden sollen, ist bisher unklar. „Wir wollen natürlich auf Dauer keine Situationen wie auf einer Schiffsfähre in einem Duty-free- Shop“, spielt Westphal auf die ständig überfüllten Läden an. So solle in den nächsten Wochen an den Einkaufswünschen der AsylbewerberInnen und auch den Öffnungszeiten „gebastelt“ werden. Auch biete die Sozialverwaltung allen AsylbewerberInnen an, die einen besonders weiten Weg zu den Magazinläden hätten, in ein näher gelegenes Heim zu ziehen.

Heute um 14 Uhr findet vom Flüchtlingsrat eine Kundgebung vor dem Sachleistungsmagazin in der Kreuzberger Methfesselstr. 43 statt. Der Flüchtlingsrat appelliert dabei an den Senat, „das menschenverachtende Zwangseinkaufssystem sofort abzuschaffen und die Bargeldleistung für Flüchtlinge und AsylbewerberInnen in Berlin wiedereinzuführen“.

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