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Hilfloses Opfer der Ausländerbehörde

■ Psychisch kranke Französin sechs Wochen im Abschiebeknast

Am 2. Juni nahm der Deutschlandbesuch der Französin Martine Laurent* eine drastische Wende. Zwei Polizeibeamte weckten die zierliche Frau, die auf einer Bremer Parkbank schlief. Ihr Pech: Sie hatte keinen Ausweis dabei – und wollte auch ihren Namen spontan nicht verraten. Seitdem sitzt die EU-Bürgerin in Abschiebehaft. Die soll heute, nach sechs Wochen Haft, zu Ende gehen: Die Frau wird nach Frankreich abgeschoben – in der teuren Begleitung zweier BGS-Beamter und mit der bizarren Auflage, nie wieder nach Deutschland einreisen zu dürfen.

„Eine Groteske in Europa“, sagt Gigi Valther von der Asylgruppe Ostertor. Sie hatte der Frau einen Anwalt besorgt, nachdem ein ratloser Beamter des Polizeigewahrsams sie auf den schlechten Gesundheitszustand der Festgenommenen aufmerksam gemacht hatte. „Die Frau war übernervös, litt an Stimmungsumschwüngen, fühlte sich bedroht, wurde dann selbst aggressiv“– so hatten auch Mitgefangene die Französin erlebt.

Der alarmierte Psychiater bestätigte den Verdacht einer Psychose – aber nicht, daß die Frau deswegen haftunfähig wäre. „Aber ich habe betont, daß die Inhaftierung für die Gesundung nicht förderlich ist“, sagt Peter Halfmeyer vom sozial-psychiatrischen Krisendienst heute. Er verschrieb Medikamente – in der Annahme, daß die Kranke schnell frei käme und ihr dann, „möglicherweise in der Muttersprache, im Heimatland, tragfähige Hilfsangebote gemacht werden.“Daß die Laurent bis heute – als zeitweise einzige Frau im Gewahrsam – hinter Gittern blieb, hält er für skandalös.

Bei der Polizei sieht man das anders: Weil Martine Laurent verschiedene Namen angegeben hatte, habe man sie zur Klärung der Identität festhalten müssen. Daß dies wiederum so lange dauerte – daran seien allein die französischen Behörden schuld.

„Unglaublich“, kommentiert Laurents Anwalt, Hans Meyer-Mews, die Vorfälle. Bereits vor Wochen forderte er in einer bis heute vom Gericht nicht beantworteten Haftbeschwerde, daß Martine Laurent unverzüglich freigelassen werden müsse. „Es kann doch nicht angehen, daß EU-Bürger einfach in Haft genommen werden“, wettert er. „Die nehmen wohl jeden mit ausländischem Akzent fest, den sie kriegen können.“Martine Laurent sei hilfloses Opfer der Ausländerbehörde. „Weil sie psychisch krank ist, hätte sie von Anfang an einen Anwalt bekommen müssen“, verweist er auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts. „Daß sie zuerst einen falschen Namen angegeben hat, ist wahrscheinlich Ausdruck ihrer Krankheit.“Im Bremer Ausländeramt war eine Stellungnahme gestern nicht mehr zu erhalten.

*Name geändert ede

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