: Langer Lulatsch in der City
Gänsemarkt: Senat genehmigt wider das Baurecht zwölfstöckiges Hochhaus. GAL empört über Versechsfachung. Klagen unmöglich ■ Von Heike Haarhoff
Da waren's plötzlich zwölf statt zwei: Wider das geltende Baurecht hat die Stadt nahe des Gänsemarkts einen zwölfgeschossigen Büro- und Wohnturm der Versicherungsgesellschaft Difa Immobilienfonds genehmigt. Zulässig aber wäre auf dem Hinterhof-Grundstück in der Caffamacherreihe 8 höchstens ein zweistöckiges Haus gewesen. So jedenfalls steht es schwarz auf weiß im Bebauungsplan „Neustadt 35“.
„Was da gemacht wird, ist rechtswidrig“, empört sich ein leitender Mitarbeiter des Bauamts-Mitte über die klammheimlich abgesegnete Versechsfachung der zulässigen Bauhöhe. „Bewußt“habe man 1984 in dem Bebauungsplan die Niedrigbauweise in den Höfen hinter den ansonsten bis zu neunstöckigen Büro- und Geschäftshäusern am Gänsemarkt festgeschrieben. Sie sollte „den typischen Innenstadt-Blockstrukturen Rechnung tragen“. Schmucke Häuschen fernab des Straßenlärms sollten die Innenstadt wiederbeleben und an die traditionelle Bauweise zu Beginn des Jahrhunderts anknüpfen.
Doch den Senat kümmert das wenig: Ohne das Baurecht zu ändern und ohne Befragung von Anwohnern oder des Parlaments stimmte er Anfang April in aller Stille dem Wunsch der Difa zu und gab dem Hochhaus grünes Licht. „Die Befreiung (vom Baurecht, d.Red.) ist städtebaulich vertretbar und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar“, antwortete der Senat gestern der grünen Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann auf eine kleine Anfrage.
„Abenteuerlich“findet Sudmann diese Begründung. Es gebe weder „Bedarf“für neuen Büroraum noch für einen weiteren langen Lulatsch in der City. Von der Zusatzfläche profitiere nur die Difa, deren Grundstückswert nun immens steigt, und die sich gestern „nicht dazu äußern“wollte. Daß die Regierung ohne Not Recht und Gesetz übergeht, erklärt sich Sudmann mit „Investorenhörigkeit“. Außerdem wisse der Senat, „daß in der Innenstadt kaum Menschen leben, die als Betroffene gegen das Hochhaus klagen könnten.“
Die Regierung sieht das anders. Immerhin entstehe auch Wohnraum. Die Difa habe sich verpflichtet, ein Drittel der zusätzlichen Geschoßfläche (1.670 von 5.500 Quadratmetern) zu Wohnungen zu machen, lobt der Senat. Und widerspricht sich im selben Atemzug. Denn „grundsätzlich“verfolge man das Ziel, „im Fall von befreiungsbedürftigen Überschreitungen 50 Prozent der zusätzlichen Geschoßfläche für Wohnen zu nutzen“. In diesem Fall wäre es aber nur ein Drittel und nicht die Hälfte.
Peinlich ist das dem Senat nicht. „Befreiungen ähnlichen Umfangs“, gesteht er freimütig, gehörten zum Tagesgeschäft und wurden „z.B. bei den Bauvorhaben Hotel Hafen Hamburg, Neuer Wall 64, Fuhlentwiete 12, Geschäftshaus Wendenstraße/ Heidenkampsweg und Europa-Center erteilt.“
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