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Polizeichef wäscht Hände in Unschuld

■ Streit um RB-Film „Der Fall Stradivari“: Polizeipräsident sieht weder „Hausfriedensbruch“noch verletzte Dienstgeheimnisse, die Strafrechtler vom Deutschen Anwaltsverein aber schon

Der Strafrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins hat sich auf einer Sitzung den Radio-Bremen-Film „Der Fall Stradivari“angesehen und danach den Bremer Anwalt Günter Bandisch gebeten, die „einhellig“vertretene „große Empörung“zu Papier zu bringen. In einer sechsseitigen Erklärung werden schwere Vorwürfe formuliert, die sich gegen den Bremer Polizeipräsidenten Rolf Lüken richten, der dem Fernsehteam generell erlaubt hatte, die Arbeit der Mordkommission „dokumentierend“zu begleiten: Hausfriedensbruch, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, Verletzung von Dienstgeheimnissen und Verletzung von Persönlichkeitsrechten sehen die Mitglieder des Deutschen Anwaltsvereins in den gezeigten Szenen. Der Polizeipräsident hat auf Fragen der taz nun erstmals zu den konkreten Vorwürfen Stellung genommen.

Darf ein Kamerateam ohne Zustimmung des Wohnungsinhabers bei einer Hausdurchsuchung mitgehen, Filmaufnahmen machen und senden? Eindeutig Hausfriedensbruch, finden die Strafrechtler. Der Polizeipäsident widerspricht: „Nach Ansicht des Polizeipräsidiums ist ein Straftatbestand nicht erfüllt.“

Daß durch den Film Ergebnisse der Durchsuchung deutlich werden, verletzt nach Ansicht der Anwälte auch die Dienstpflicht zur Verschwiegenheit, denn Ergebnisse von Ermittlungen sind „im Interesse der Ermittlungen geheimzuhalten“, haben die Strafrechtler notiert.

Genauso empört sind die Anwälte über die Tatsache, daß in dem Film „das Strafregister oder auch nur Auszüge aus einem Verzeichnis anhängiger Ermittlungsverfahren“zum Besten gegeben werden, „kriminalpolizeiliche Erkenntnisse“aus dem „Polizeicomputer“, wie der Filmautor selbst sagt. „Dienstgeheimnisse wurden nicht verletzt“, behauptet der Polizeipräsident dazu knapp.

„In der Pathologie wird die Leiche der Musiklehrerin gezeigt, und zwar in rücksichtslosester und geschmacklosester Weise in verschiedenen Einzelteilen“, empören sich die Strafrechtler. Der Polizeipräsident: „Die zu Dokumentationszwecken gefertigten Aufnahmen während der Obduktion bedurften nicht des Einverständnisses der Angehörigen“, sagt Lüken das zu knapp. „Das meine ich aber doch“, widerspricht der Vertreter der Strafrechtler, Bandisch, „da geht es auch noch um das Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen. Darüber kann der Polizeipräsident nicht verfügen.“

Gleich mehrere Straftatbestände erfüllt eine andere Szene nach Ansicht der Strafrechtler, wo nämlich ein Schlüssel-Satz aus einem Kripo-Verhör auf Tonband mitgeschnitten und gesendet wird. „Sie haben die Frau auf dem Gewissen“, sagt da der verhörende Beamte. „Nein“, wehrt sich der Beschuldigte. Das „nicht öffentlich gesprochene Wort“des Verhörten sei geschützt, finden die Strafrechtler, und besondes strafbar hätten sich auch die Beamten gemacht: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt.“Der Polizeipräsident leugnet schlicht den Sachverhalt: „Die Drehgenehmigung erfolgte mit dem Hinweis, datenschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten...“, läßt Lüken erklären.

Der Senat hat erklärt, er wolle „künftig in vergleichbaren Fällen derartige Drehgenehmigungen zurückhaltender geben“. „Ein indirektes Schuldeingeständnis“, kommentierte der Grüne Martin Thomas. Er hat nun auch den Datenschutzbeauftragten in den „Fall Stradivari“eingeschaltet. K.W.

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