: Abseits von Mensch, Müll und Massengeschmack
■ Der exklusivere Teil der Techno-Familie feierte auf einem abgegrenzten Biergartenareal
Was tun am Love-Parade-Samstag die Leute, die zum exklusiveren Teil der Techno-Familie gehören? Zu Hause bleiben? Zu langweilig ... und: Man wird nicht gesehen! Wagen? Zu laut, zu voll, zu direkt, und außerdem tanzen da schon die Angestellten! Tiergarten? Ja, schon eher, aber nicht zwischen Menschen, Müll und Massengeschmack! Deshalb und zum Glück feierte auch in diesem Jahr der flyer, „Das Stadtmagazin einer neuen Generation“, auf abgegrenztem Biergartenareal am idyllisch gelegenen Neuen See eine V.I.P.-Party. Titel: „One in a million and a few friends“.
Frage: Wer ist eigentlich die neue Generation? Auf den ersten Blick die üblichen Verdächtigen – als da wären Medienmacher, Marketingstrategen und Szenemultiplikatoren, über die zu lästern kaum Freude bereitet, da man ja irgenwie dazugehört. Also lästern wir jetzt über uns selbst. Sektbecher, umgucken, grüßen: Huch, die haben ja alle die gleiche Sonnenbrille wie ich. Es gibt kein Entkommen aus diesen Wichtigkeitsoasen.
Doch halt ... who's that man in the yellow leatherjacket? Es könnte Harald Schmidt sein, denn schließlich geschieht diese Festivität mit der freundlichen Unterstützung von Sat.1. Aber weit gefehlt, es ist der Frontman und Berliner CDU-Vorsitzende der innenpolitischen Gabba-Fraktion, Klaus-Rüdiger Landowski. Er steht entspannt vor dem Sponsorenzelt eines Szenegetränk-Herstellers und plaudert angeregt mit Jungmenschen. Vor ihm kreisen die Joints, hinter ihm passiert noch Schlimmeres. Aber an einem Tag wie diesem kriegt die härteste Linie ihre weichen Kanten.
„Guten Tag, Herr Landowski, wie fühlen Sie sich hier?“
„Es ist wunderbar, zwischen einer Million friedlicher, optimistischer, junger Menschen zu sein. Im Vorfeld haben die Medien keine Gelegenheit ausgelassen, die Love Parade schlecht zu machen. Aber ich sagen Ihnen, die Fernsehbilder, die heute abend aus Berlin in die Welt gehen, kann kein Kommentator mehr kaputtreden. Die Schäden am Tiergarten, ach gehen Sie mir doch weg, hier werden keine Häuser und Autos angezündet, und hier werden auch keine Einsatzkräfte verprügelt, sondern Leute aus allen Teilen des Landes kommen zusammen und machen diese Stadt wirklich zur Hauptstadt. Ganz im Ernst, ich habe keine Berührungsängste.“
Landowski, der Pate der Love Parade?
„Ich hab' dem Heckelmann (Ex- Innensenator; d. Red.) ja schon damals gesagt, er soll das genehmigen, schon vor Jahren. Die taz schreibt erst heute einen positiven Kommentar. Soll ich Ihnen sagen warum? Die haben doch Angst, daß eine ganze Jugendbewegung politisch an ihnen vorbeizieht.“
Das Medienpublikum zieht jedenfalls an Landowski vorbei. Kennt ihn hier überhaupt jemand? Und wenn, stünde es auch nicht zur Debatte. Trotzdem, tolle Stimmung hier! Heike Blümner
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