: "Liebe taz..." - Gegen ein Forscher-Gefängnis, betr.: "Farbanschläge gegen Affenforscher", taz vom 10.7.1997
Betr.: „Farbanschlag gegen Affenforscher“, taz vom 10.7.
Ich bin Professor für Chemie und habe meinen Arbeitsbereich im betroffenen Gebäude NW 2, zwei Stockwerke tiefer . Zum Farbanschlag auf das geplante Versuchslabor möchte ich etwas anmerken: Unabhängig davon, daß ich ein Gegner von Versuchen an Primaten bin, bezweifle ich, daß es erstens eine weise Entscheidung sei, Versuche an lebenden Affen in Konkurrenz zu mindestens 12 anderen Instituten auch in Bremen durchführen zu lassen und zweitens, diese Versuche auch noch in das 20 Jahre alte Gebäude NW 2 integrieren zu wollen. Dieses Gebäude ist ungeeignet, man spricht von notwenigen Umbaumaßnahmen von mindestens einer Million Mark, und das, obwohl es ein eigenes Gebäude für Experimente mit Tieren und Pflanzen auf dem Uni-Gelände gibt! Der Anschlag zeigt, was im Falle der Realisierung dieser Schnapsidee auf uns zukommt: Als erste Reaktion wird von verantwortlicher Seite diskutiert, das ganze Gebäude systematisch mit Video-Überwachungskameras und Magnetkarten-Sicherung der Eingänge zu isolieren. Dieses Vorhaben muß jedoch zum Scheitern verurteilt sein: Wir sind Teil einer Universität, auch im naturwissenschaftlichen Bereich. Studenten und Assistenten müssen – auch außerhalb der festen Veranstaltungszeiten – Zutritt zu den Labors im NW 2 haben. Das heißt, alle diese Gruppen müßten Schlüssel bekommen. Unter so vielen „NW-2-Einwohnern“finden sich bestimmt auch einige wenige Sympathisanten mit den militanten Tierschützern, die Wege finden werden, diesen Einlaß zu gewähren.
Aber selbst wenn es gelingen sollte, das Gebäude vollständig von der Außenwelt abzuriegeln, möchte ich mich dagegen wehren, gegen meinen Willen auch unter ein solches Gefängnis-System zu fallen. Als ich vor 20 Jahren von einer atomtechnischen Forschungsanstalt an die Uni Bremen wechselte, war einer meiner Hauptgründe der Tausch einer mit bewaffneten Wachmannschaften „beschützten“Institution gegen eine in jedem Sinne freie Arbeitsstätte.
Leider sehe ich nunmehr an der Uni Bremen eine Politik vorprogrammiert, sich aus Angst vor Terroristen einzuigeln und damit einen guten Teil seiner für die Wissenschaft notwenigen Freiheit einzubüßen. Ich appelliere an die Politiker, vom Vorhaben der Affenexperimente an der Uni Abstand zu nehmen. Hr. Kreiter könnte diese Experimente an einem der zwölf Primatenzentren in Deutschland in der politisch gewünschten Kooperation durchführen.
Prof. Wolfram Thiemann
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