: Leuna-Prüfung amtlich verzögert
EU-Kommission verschiebt die Überprüfung der Subventionen für Elf Aquitaine ■ Von Ulrike Fokken
In letzter Minute retteten Diplomaten gestern den Erdölkonzern Elf Aquitaine. Die Franzosen drängten die EU- Kommission, die geplante Prüfung des Unternehmens und seiner Raffinerie „Leuna 2000“ in Sachsen- Anhalt zu verschieben. Die Deutschen eilten von der Brüsseler Botschaft in die EU-Kommission und überreichten Papiere zur Privatisierung und den daraus resultierenden Subventionen an den französischen Konzern. Beide Seiten waren erfolgreich. Die EU-Kommission schickte den Fall erneut in den Ausschuß, der sich nun mit den Unterlagen beschäftigt.
Der Vorwurf, erhöhte Subventionen ungerechtfertigt abgezogen zu haben, ist bereits ein Jahr alt. Seitdem prüfen die Beamten der EU-Kommission den Fall, seither geizt die Bundesregierung mit Informationen zum Fall. Dabei geht es um ihr Geld. Elf Aquitaine soll die Baukosten für den Neubau der Raffinerie „Leuna 2000“ um 900 Millionen Mark hochgefönt haben – wie vier Gutachten der Treuhand-Erbin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) vom Juni 1996 belegten.
Demnach hätte das neue Werk in Leuna nur 2,4 Milliarden Mark kosten dürfen. Elf Aquitaine hatte jedoch 3,3 Milliarden Mark veranschlagt. Diese Summe steht auch in dem Privatisierungsvertrag mit der Treuhand, den der Konzern 1992 geschlossen hatte. Hinzu kamen 1,6 Milliarden Mark für Abrißarbeiten, Umweltschutzmaßnahmen und Schließungsbeihilfen. Von den 4,9 Milliarden Mark Investitionen übernahmen Bund und Sachsen- Anhalt 1,4 Milliarden Mark – und zahlten sie je zur Hälfte.
Darüber hinaus sollen Land und Bund dem französischen Mineralölkonzern Ausfallbürgschaften von noch einmal 1,4 Milliarden Mark gewährt haben. Verantwortlich für die Prüfung der Investitionen ist Klaus Schucht, Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt.
Dies ist der EU-Kommission seit einem Jahr bekannt. Seitdem bemüht sie sich um Aufklärung von der deutschen Bundesregierung. Brisant wurden die frisierten Abrechnungen von Elf Aquitaine und die großzügige Subventionspraxis der Deutschen jetzt erneut. Der französische Konzern hatte nämlich einen Passus in den Vertrag mit der Treuhand einbauen lassen, der sich als wettbewerbswidrig herausstellen könnte.
Zu Beginn der Produktion in Leuna verpflichtete sich die Treuhand/BvS, für 33 Prozent des neuen Betreiberunternehmens Mider einen Investor zu finden. Sollte ihr dies nicht innerhalb von drei Monaten gelingen, müsse die BvS den Anteil selbst übernehmen oder der Elf Aquitaine einen Verlustausgleich zahlen. Man habe damals eben keine Wahl gehabt, sagte ein Sprecher der BvS gestern. Da es nur einen Interessenten für Leuna gegeben habe, habe die Treuhand dessen Bedingungen akzeptiert.
Ein Gericht hat mittlerweile entschieden, daß die BvS die Raffinerie nicht zu einem Drittel rückverstaatlichen muß. Aber den Investor müsse die Anstalt finden, wenn auch nicht innerhalb von drei Monaten. Einen Käufer hat die BvS noch nicht gefunden, Interessenten gibt es ebenfalls nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen