■ Querspalte: Du und ich und Schröder
Wer erinnert sich nicht mehr an Helmut Kohl. Der galt, als er noch regierte, als der Erfinder der Ganzheitsmethode. Er war alles auf einmal: Kanzler und Parteivorsitzender, Koch und Kellner, Stürmer und Libero, Mensch und Politiker. Einer von uns. Die Frage, wieviel Länder bei der ersten Runde der Nato-Osterweiterung dabei sind, war Kohl stets so wichtig wie die, wieviel Eier in seinem Karamelpudding dabei sind. In Kanzleramt, so die unverschlüsselte Botschaft, geht es nicht anders zu als bei mir und dir zu Hause. Diese wahre Konstante der deutschen Politik nach der Wiedervereinigung hat jetzt einen Wechsel im Bonner Kanzleramt erzwungen.
Die „zweite Moderne“ (Ulrich Beck), die die gesamte Gesellschaft erfaßt hat, erforderte gewissermaßen auch eine zweite Moderne der Ganzheitsmethode. Folgerichtig ist ihr herausragendster Vertreter jetzt auch Bundeskanzler: Gerhard Schröder. In einem Interview mit dem Stern plauderte er kurz vor seinem Umzug nach Bonn darüber, welche neuen Prioritäten er als Bundeskanzler und Parteivorsitzender, Koch und Kellner, Stürmer und Libero, Mensch und Politiker setzen will. Nichts mehr mit Nato und Karamelpudding. Für Schröder ist die Frage, was er jetzt in Bonn eigentlich machen soll, ebenso wichtig wie die, was seine Freundin in Bonn eigentlich machen soll.
Aber keine Sorge, Schröder hat nicht nur Fragen, sondern auch Antworten. Seine Freundin Doris Köpf müßte ihren Beruf als Journalistin nicht an den Nagel hängen. Sie könnte „als feste freie Mitarbeiterin bei einem Medium arbeiten“, vertraute er dem Stern an. „Sie könnte Kolumnen schreiben, sinnvollerweise vielleicht nicht über politische Fragen.“ In dieser sehr bodenständigen Herangehensweise liegt womöglich auch der Schlüssel für Schröders Kanzlerschaft. Vielleicht sollte er sich sinnvollerweise einfach nicht mit politischen Fragen beschäftigen. Er könnte Kolumnen schreiben. Bei einem Medium. Als fester freier Mitarbeiter. Wie du und ich. Jens König
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