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Geschundene Bauern gegen städtische Elite

■ Beim Präsidentschaftswahlkampf stehen sich vor allem Milizenchef Charles Taylor und Diplomatin Ellen Johnson-Sirleaf gegenüber – und mit ihnen die zwei Gesichter Liberias

Monrovia (taz) – Die Wahlen in Liberia sind vor allem ein Duell zwischen zwei Politikern, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Charles Taylor, mächtigster Warlord des Landes, und Ellen Johnson-Sirleaf, herausragende Vertreterin der Zivilgesellschaft. Ihre Rivalität ist zugleich die zwischen dem Landesinneren, wo zu großen Teilen Taylor uneingeschränkt herrscht, und der Hauptstadt, wo die Unterstützung für Johnson-Sirleaf groß ist.

Charles Taylor ist Spitzenkandidat der „Nationalpatriotischen Partei“ (NPP), die aus seiner Guerillabewewegung „Nationalpatriotische Front“ (NPFL) hervorgegangen ist. Immer wieder betont er, daß es an seinem Wahlsieg keinen Zweifel gebe. Er war es, der Ende 1989 den Kampf gegen die damalige Diktatur von Samuel Doe aufnahm und fast das ganze Land eroberte, bis nach der Ermordung Does im September 1990 die nigerianisch geführte westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog die Hauptstadt Monrovia besetzte. Danach beherrschte Taylor nur noch das Landesinnere.

In den großen Flüchtlingslagern in und um Monrovia scheint Taylor heute viele Anhänger zu haben. Er verfügt über bedeutende finanzielle Mittel – in den Kriegsjahren erworben durch die Ausbeutung von Kautschuk und Tropenholz. Und seitdem Taylor die Kämpfe von 1996 nutzte, um alle privaten Radiosender zerstören zu lassen, kann man im Landesinneren nur noch sein Radio „Kiss FM“ empfangen. Erst in diesen Tagen gehen andere Radios, finanziert aus Deutschland und der Schweiz, auf Sendung.

Selbst einige seiner Gegner werden möglicherweise für Taylor stimmen – denn die Sorge geht um, daß bei einem umstrittenen Wahlergebnis der Bürgerkrieg wieder losgeht. „Ich habe Angst davor, daß Taylor die Wahlen gewinnt“, ist oft in Monrovia zu hören, „aber ich habe noch größere Angst, daß er sie nicht gewinnt.“

Ernsthafteste Konkurrentin für Taylor ist die 59jährige Ellen Johnson-Sirleaf, Spitzenkandidatin der „United Party“ (UP) und bis vor kurzem Regionaldirektorin für Afrika des UNO-Entwicklungsprogramms UNDP. Diesen Posten gab sie für die Kandidatur auf, und mittlerweile unterstützen sie noch vier andere Parteien. Die restlichen neun Kandidaten, darunter die beiden Milizenführer Alhaji Kromah und George Boley und der amtierende Außenminister Baccus Matthews, sind chancenlos.

Taylors Parole: „No Mommies For President“

Die Harvard-Absolventin Johnson-Sirleaf war Anfang der 80er Jahre Finanzministerin unter Samuel Doe. Aber als Doe 1985 massiv die Wahlen fälschen ließ, beteiligte sie sich an der Gründung der oppositionellen „Liberia Action Party“. Das brachte ihr neun Monate Gefängnis ein – und politische Glaubwürdigkeit, die sie bis heute behalten hat.

Auf Wahlveranstaltungen verhöhnt Johnson-Sirleaf Charles Taylor als „Feigling, der auf Unschuldige schießt“. Die Taylor- Presse revanchiert sich mit Parolen wie „No Mommies For President“. In ihrem Element ist Johnson-Sirleaf unter Intellektuellen. So wurde sie nach einem sachlichen Vortrag in der völlig überfüllten Aula der Universität von Monrovia begeistert gefeiert. Taylor war trotz Einladung nicht gekommen, weil die Studenten angekündigt hatten, ihn mit Steinwürfen zu vertreiben.

Bei den Kriegsflüchtlingen scheint Johnson-Sirleaf weniger anzukommen. Bei einem Besuch von Moulton Corner, mit 20.000 Bewohnern eines der größten Lager von Monrovia, trägt ihr der Lagersprecher eine lange Mängelliste vor: Sanitäre Anlagen fehlen, die medizinische Versorgung ist völlig unzureichend. „Wenn wir das alles hier aufbauen, geht niemand mehr aufs Land zurück“, erwidert die Kandidatin. „Ich unterstütze lieber die Wiederansiedlung in euren Heimatdörfern.“ Das ist keine Antwort, die den Lagersprecher befriedigen könnte. Martin Zint

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