Kein Umdenken bei Herri Batasuna

Der politische Arm der baskischen ETA sieht keinen Anlaß zu Kurskorrekturen. Eine für Samstag geplante Demonstration wurde vom baskischen Innenministerium verboten  ■ Aus Pamplona Dorothea Hahn

Ein Wort des Bedauerns, eine Verurteilung gar bringt das Führungsmitglied von „Herri Batasuna“ nicht über die Lippen. Der weitestgehende Satz, zu dem Floren Aoiz bereit ist, lautet im perfekten Verlautbarungston: „Wir freuen uns über keinen Tod, und wir verstehen besser als alle den Schmerz der Familie.“ Das Wort Mord benutzt der 31jährige nicht, wenn es um Miguel Ángel Blanco Garrido geht.

Aoiz ist Mitglied der 23köpfigen nationalen Führung von Herri Batasuna (HB), dem legalen Arm der ETA, und einer der fünf HB-Abgeordneten im 50köpfigen Parlament von Navarra in Pamplona. Er gehört einer Generation an, die erst nach der ETA-Gründung im Jahr 1958 zur Welt kam und die ihre politische Aktivität erst nach dem Tod Francos im Jahr 1975 begann. In den seit dem Mord vergangenen Tagen, in denen ETA und HB einen schwereren Stand als je zuvor haben, richteten sich hohe Erwartungen an ihn.

Vergeblich. Aoiz sieht keinerlei Veranlassung, das Verhältnis der HB zu dem jüngsten Attentat überhaupt zu diskutieren. Die „Schuld“ daran haben in seiner Logik „Staat und Regierung“, die nicht bereit waren, die gefangenen Etarras im Baskenland zusammenzulegen, wie von den Entführern gefordert. Über die ETA, deren „Demokratische Alternative für Euskal Herria“ in seinem Büro am Rathausplatz von Pamplona ausliegt, will er schon gar nicht reden. Auch nicht über die Frage, ob dem Mord an dem 29jährigen konservativen Ratsherren, der die bislang stärkste Volksbewegung gegen die ETA auslöste, eine Fehleinschätzung der Stimmung im Baskenland zugrunde lag. Die ETA, sagt Aoiz, „ist eine unabhängige Organisation, die selbst entscheidet, was sie tut“. HB teile zwar ihre politischen Ziele, nicht aber die Formen, die sie wähle. Im Inneren von HB gebe es sowohl Leute, die für den bewaffneten Kampf, als auch solche, die dagegen seien.

Seit sich Madrid und Paris auf eine Intensivierung ihrer Anti- Terror-Zusammenarbeit einigten, hat die ETA ihr wichtigstes Rückzugsgebiet verloren. Die neue Madrider Regierung lehnt im Gegensatz zu ihrer flexibleren sozialistischen Vorgängerin jede Verhandlung ab, solange die ETA keinen bedingungslosen Waffenstillstand vorausschickt. Eine harte Linie praktiziert der Konservative José Maria Aznar auch gegenüber den gefangenen Etarras – sie werden konsequent über das gesamte spanische Territorium verteilt und können sich keinerlei Hoffnung auf verkürzte Haftzeiten machen. Auf jede Frage über die Gewalt der ETA gibt Aoiz eine Antwort über die Gewalt gegen seine eigene Organisation zurück. Er spricht von „Lynchjagden“ und von „faschistischen Banden“, die die HB attackieren. Von einer „Hetzkampagne“, die von Polizei und parapolizeilichen Organisationen unterstützt werde. Von der Folter in spanischen Gefängnissen. Von der „Kampagne“ in den spanischen Medien. Von der Mitverantwortung ehemaliger Regierungsmitglieder für die Gründung der terroristischen Organisation GAL, die Etarras ermordete.

Eine neue Qualität in den Demonstrationen von mehreren Millionen Menschen, die auf das jüngste Attentat der ETA folgten, vermag Aoiz nicht zu erkennen. Die repressiven Gesetzesvorhaben und die Allparteienkoalition, die die HB isolieren will, versteht er als Manöver der konservativen Regierung, die ihre politische Schwäche kaschieren wolle. All das sei langfristig nicht aufrechtzuerhalten – zumal nicht von den nationalistischen baskischen Parteien, die in diesen Tagen die HB isolieren wollten und noch vor wenigen Wochen gemeinsam mit HB für eine Zusammenlegung der gefangenen Etarras gearbeitet haben. „Wir haben schon oft erlebt, daß die Regierung ,isolieren‘ sagte und gleichzeitig heimlich verhandelte“, erklärt er.

Wer Aoiz reden hört, soll verstehen, daß HB das Opfer ist, das nach „friedlichen Lösungen“ für den „grundsätzlichen Konflikt“ sucht – gemeint ist die Forderung nach gänzlicher Unabhängigkeit des Baskenlandes. Anlaß zu Kurskorrekturen oder Selbstkritik sieht er nicht: Es gebe keine Veranlassung, die „richtige Politik“ seiner Organisation zu ändern, bloß weil die anderen eine Kampagne organisieren. Auf den Aufruf des abtrünnigen „Yoyes“, José Manuel Larasa Getaria, der aus dem Gefängnis heraus das Verbrechen verurteilte und die HB-Führung dafür verantwortlich machte, wiegelt er ab: „Der wurde doch schon vor zwei Jahren aus der ETA ausgeschlossen.“

Eine Mitgliedervollversammlung der HB, Neuwahlen der Führung und eine Grundsatzdiskussion mit der ETA, deren Interessen die HB öffentlich vertritt, hält Aoiz für unnötig. Für den Samstag hat HB zu einer Demonstration gegen die „Hetzjagd“ und für die Zusammenlegung der Gefangenen nach San Sebastián aufgerufen. Die ist jetzt vom baskischen Innenministerium mit der Begründung verboten worden, man befürchte Zusammenstöße. Viele gehen davon aus, daß HB dennoch demonstrieren wird.