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„Da ist so viel Musik drin“

■ Hält der Senat Wort? Brauchen wir eine Stiftung? Kultursenatorin Kahrs (SPD) nimmt Stellung

Die Debatte um Kultur GmbH, Kulturpolitik und Kulturfinanzierung in Bremen wird immer unübersichtlicher (siehe Glossar). Zuletzt haben die kulturpolitischen Sprecherinnen der beiden Regierungsparteien CDU und SPD, Elisabeth Motschmann und Carmen Emigholz, neue Aspekte dazu beigesteuert. Wie berichtet, schlägt Motschmann ein Stiftungsmodell zur Kulturfinanzierung vor. Emigholz schließt die Forderung nach einer Eckwerterhöhung nicht mehr aus. Hinter beiden Vorstößen verbirgt sich die kaum verborgene Annahme, daß sich der Senat nicht an seine Beschlüsse hält. Der hatte im Frühjahr entschieden, daß die Kultur in den nächsten beiden Jahren brutto insgesamt 50 Millionen Mark und netto jeweils rund zehn Millionen Mark mehr bekommen soll. Gegenüber der taz nahm Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) zum Thema Stellung.

taz: Elisabeth Motschmann will eine Stiftung, Carmen Emigholz fordert eine Eckwerterhöhung. Was sagt die Senatorin dazu?

Bringfriede Kahrs: Zunächst möchte ich etwas richtig stellen. Das Signal an die Kultureinrich-tungen, wir würden jetzt in radikale Kürzungen verfallen, ist falsch und entbehrt jeder Grundlage. Wir haben eine Minderausgabe von 11 und 13 Millionen im Haushalt, die wir mit Bargeld ausgleichen wollen. Wir fahren den Etat nicht runter. Bei Frau Motschmanns Stiftungsmodell wäre das anders. Demnach hätten wir eine Deckungslücke von sechs und acht Millionen Mark 1998 und 1999. Da wird sie einen Kahlschlag haben, und selbst ihre großen Einrichtungen werden nicht mehr alle da sein. Für mich ist das Ansinnen von Frau Motschmann ein Ausdruck von Hilflosigkeit.

Wie helfen Sie denn?

Ich gehe davon aus, daß wir nach dem vom Senat beschlossenen Modell in den beiden nächsten Jahren die Kultureinrichtungen maßvoll stärken. In dieser Zeit können wir die Qualitätsdebatte führen, die Strukturen optimieren und damit auch noch Geld einsparen.

Woher nehmen Sie die 50 Millionen Mark?

Aus Veräußerungserlösen. Das hat der Senat ja gefordert. Wir haben die 50 Millionen Mark ja auch nicht sofort nötig. Wir brauchen jetzt erstmal elf Millionen Mark für 1998. Das ist keine unaufbringbare Summe. Da ist zu prüfen, ob man städtisches Vermögen mit überträgt und ob man dieses vermarktet, beleiht oder anders nutzt.

Das bedeutet aber, daß auch die größeren Einrichtungen in die Kultur GmbH überführt werden müssen.

Ja, selbstverständlich. Wenn wir die Zentralbibliothek ins Polizeipräsidium verlagern, dann verkaufen wir die Musikbibliothek. Wir denken darüber nach, die Zentrale der Volkshochschule dort zu integrieren. Dann hat man ein hochattraktives Grundstück zur Verfügung. Das sind Millionenwerte. Die Botschaft lautet: Die Kultur wird gestärkt, und wir führen die Qualitätsdebatte mit den Einrichtungen. Es wird zum Beispiel eine Kooperation zwischen Musicalbetreibern und Kulturszene in Form eines zusätzlichen Theaterraums im Musical geben. Da ist so viel – ich hätte bald gesagt – Musik drin, daß mir überhaupt nicht bange ist.

Sie sprechen von maßvoller Stärkung der Kultureinrichtungen, aber in den nächsten beiden Jahren ist eine zehnprozentige Haushaltssperre zu erwarten.

Jetzt gehen Sie auf ein anderes Feld. Es wird im Voraus damit gerechnet, daß die Steuereinnahmen 1998 und 1999 noch weiter wegbrechen. Das ist aber ein Thema für alle Ressorts. Wir müssen die nächste Steuerschätzung im November abwarten. Und dann muß man entscheiden, ob man das wieder so brutal macht oder andere Prioritäten setzt.

Carmen Emigholz spricht von inhaltlichen Differenzen in der Koaltition. Teilen Sie diese Einschätzung?

Natürlich. Mit der CDU kann man in der Kulturdeputation ganz schwer inhaltlich über Kulturpolitik diskutieren. Da geht es immer nur um einzelne Einrichtungen, die ihr am Herzen liegen. Was wir wollen, ist eine Qualitätsdebatte. Das heißt: Sind die Einrichtungen professionell, profiliert und akzeptiert? Das sind die Oberbegriffe.

Was sagen Sie Einrichtungen wie der Shakespeare Company, Dacapo oder dem Schlachthof?

Wir haben einen Senatsbeschluß, der mich auf der sicheren Seite läßt: 50 Millionen aus Veräußerungserlösen. Und wir haben einen mit der CDU beschlossenen Haushalt. Der muß noch durch den Haushaltsausschuß, das gebe ich zu. Doch im Prinzip ist der Entwurf nicht kritisiert worden. Für 11 und 13 Millionen Mark müssen bis Dezember, wenn der Haushalt durch die Bürgerschaft geht, kulturelle Aufgaben verlagert werden.

Wird der Vertrauensschutz mit übertragen?

Welcher Vertrauensschutz?

Der Vertrauensschutz von Einrichtungen, die über Jahre gefördert wurden.

Ich bin mißtrauisch, wenn Vertrauensschutz als justitiabel definiert wird. Ich möchte das Signal aussenden, daß wir wichtige und leistungsfähige Einrichtungen in allen Bereichen haben – und hier teile ich nicht zwischen Sozio- und sogenannter Hochkultur. Wir wissen, daß die Geschichtswerkstatt in Walle oder die Bürgerhäuser auf ihre Art eine profilierte Arbeit leisten. Und die, die dieses Prädikat nach Einschätzung aller Fachleute am Ende haben, sollen weiter gefördert werden.

Fragen: Christoph Köster

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