piwik no script img

Was sind schon drei Millionen Mark unter Freunden Von Ralf Sotscheck

Es ist die zur Zeit beste Show in Dublin — und noch dazu kostenlos. Die Veranstalter mußten die Zahl der Stühle verdreifachen, 60 Journalisten verfolgen täglich das Spektakel, und in einem Nebenraum wird die Sache auf Bildschirmen übertragen. Es geht um ein Gerichtstribunal, das sich mit dem größten Korruptionsskandal der irischen Geschichte befaßt.

Im Mittelpunkt steht Charles Haughey, der frühere Premierminister. Der Haughey-Clan hielt jahrzehntelang die politischen Fäden Irlands in der Hand: Der Schwiegervater war in den 60er Jahren Regierungschef, die Schwägerin Europaabgeordnete, einer seiner Söhne war Dubliner Bürgermeister und ist jetzt Parlamentsabgeordneter. Clan-Charly hat während seiner Amtszeit immense Reichtümer angehäuft. Er besitzt ein beeindruckendes Anwesen in einem vornehmen Dubliner Stadtteil, eine Hubschrauberfirma, ein Gestüt und eine Insel. Die Iren haben sich schon immer gewundert, wo das Geld für seinen ausschweifenden Lebensstil herkam. Jetzt stellte sich heraus, daß Haughey es selbst nicht wußte.

Die taz hatte bereits vor einem Vierteljahr aufgedeckt, daß Haughey umgerechnet mehr als drei Millionen Mark vom Supermarktbesitzer Ben Dunne kassiert hatte. Die irischen Medien vermeldeten das ziemlich kryptisch, da sie aus Angst vor einer Verleumdungsklage jede Erwähnung von Haughey vermeiden wollten.

Doch der Mann, der jahrelang die Grüne Insel regierte, scheint furchtbar schusselig zu sein. Erst bestritt er vehement, auch nur einen Penny von Ben Dunne erhalten zu haben. Dann räumte er ein, daß er wahrscheinlich doch Geld erhalten, aber keinesfalls gewußt habe, von wem. Als das Tribunal begann, fiel ihm plötzlich alles wieder ein: Na klar, es war dieser Dunne, der ihm die Kohle rübergeschoben hatte. „Danke, großer Mann“, habe er artig gesagt. Haughey steckte damals in finanziellen Schwierigkeiten, und seine Freunde gingen bei einer Reihe von Geschäftsleuten betteln. Dunne griff daraufhin in seine Portokasse. „Erinnert euch an Jesus“, sagte er, „der hatte zwölf Jünger und ist von einem verraten worden.“ Es sei besser, wenn der Kreis der Haughey-Jünger auf ihn, Ben Dunne, beschränkt bleibe.

Eigentlich sei Jesus Haugheys Finanzberater Des Traynor an allem schuld: Der hatte das Bestechungsgeldkonto verwaltet und Haughey angeblich im unklaren über die Herkunft der Moneten gelassen. Traynor ist der ideale Sündenbock: Er starb bereits 1994. Haugheys Sohn Ciaran, Geschäftsführer der Firma, glaubt offenbar noch an den Weihnachtsmann. Er könne sich bis heute nicht erklären, wo das Geld hergekommen sei, beteuerte er vor dem Tribunal. Von dem Konto auf den Cayman- Inseln habe er nichts gewußt. Auf dem Konto waren freilich nicht nur die läppischen Haughey-Gelder, sondern insgesamt mehr als 100 Millionen Mark. Die Einleger, neben Dunne vermutlich andere Geschäftsleute, sowie die Nutznießer, wahrscheinlich Irlands politische Spitze quer durch die Parteien, waren durch Codenummern getarnt. Jetzt zittert die korrupte Bagage vor einem Schriftstück, mit dessen Hilfe der Code geknackt werden kann. Es soll dem Tribunal bald vorgelegt werden. Das irische Sommertheater ist längst noch nicht zu Ende.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen