: Sicherheitsschleier droht im Hinterland
■ Edmund Stoiber kritisiert offene Grenzen zu Italien und Österreich
Berlin (AP/rtr/taz) – Nach dem Streit um den Euro bahnen sich neue Auseinandersetzungen zwischen Bayern und Bonn an. Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) attackierte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wegen der ab 1. April 1998 wegfallenden Grenzkontrollen zwischen Deutschland, Österreich und Italien. Kohl hatte die Grenzöffnung im Rahmen des Schengener Abkommens am vergangenen Freitag mit seinen Amtskollegen in Wien und Rom vereinbart.
„Man kann über die Sicherheitsbedenken eines Bundeslandes nicht so locker hinweggehen, wie das geschehen ist“, sagte Stoiber der Welt am Sonntag. Er widersprach Kohls Interpretation, bei der getroffenen Vereinbarung handele es sich um eine „Entscheidung des deutschen Bundeskanzlers“. Mit dieser Äußerung hatte Kohl versucht, die Kritik aus München klein zu halten.
Der bayerische Ministerpräsident fühlt sich übergangen und pocht auf die Zuständigkeit seines Bundeslandes. Für die Sicherheit in Bayern seien das Land und die bayerische Polizei verantwortlich. Seine Regierung werde auf die geplanten Grenzöffnungen umgehend reagieren, kündigte Stoiber an. Die Angst vor „illegalen Einwanderern und Kriminellen“ treibt ihn um. Er will Taktik und Strategie der bayerischen Sicherheitskräfte verändern und einen „Sicherheitsschleier im Hinterland“ zum Schutz der Bevölkerung aufbauen. CSU-Chef Theo Waigel hingegen verteidigte die Vereinbarung zur Grenzöffnung im Rahmen des Schengener Abkommens.
Noch ein weiterer Kritikpunkt wurde am Wochenende von Stoiber vorangetrieben. Die Zahlungen Deutschlands in die Kassen der Europäischen Union seien zu hoch, schrieb er in einem Beitrag der Bild am Sonntag. Noch vor der Osterweiterung der EU müsse über einen neuen Finanzschlüssel verhandelt werden. Unterstützung erhielt Stoiber von Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP). Nach seinen Worten plane die Bundesregierung bereits, eine gerechtere Lastenverteilung in der EU durchzusetzen.
In einem vertraulichen Papier der Länderfinanzminister heißt es, Deutschland habe von 1991 bis 1994 zwei Drittel aller Nettozahlungen der EU getragen. Gemessen am pro Kopf erzielten Inlandsprodukt und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kaufkraft habe Deutschland dabei pro Jahr durchschnittlich 13 Milliarden Mark zuviel eingezahlt. Deutschland trage netto mehr als alle anderen Mitgliedsstaaten der EU zusammen zur Gemeinschaftskasse bei, obwohl es in der EU-Wohlstandsskala nur noch im Mittelfeld liege, so Edmund Stoiber. In der vergangenen Woche hatte die Europäische Kommission erklärt, sie wolle die Beitragsberechnung über das Jahr 2000 hinaus beibehalten. ank
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