: SFOR-Demonstration gegen Radovan Karadžić
■ Mit einer gemeinsamen Strategie versucht die internationale Gemeinschaft die Gräben zwischen den verfeindeten serbischen Lagern zu vertiefen
Sarajevo (taz) – Die Polizisten in der Region um die Serbenhochburg Pale in Bosnien-Herzegowina haben die noch vor wenigen Wochen zur Schau gestellte Freundlichkeit verloren. Seit die internationale Friedenstruppe SFOR am Samstag mit Huberschraubern und gepanzerten Fahrzeugen an dem Wohnort von Radovan Karadžić ihre Macht demonstrierte, werden Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen alle paar Kilometer kontrolliert. Man hält sich zwar noch an die Regelung, keine festen Kontrollpunkte einzurichten. Offiziell handelt es sich um reine Verkehrskontrollen, doch die Absicht, die Ausländer zu schikanieren, ist deutlich.
Es ist ein regelrechter „Krieg der Zeichen“ ausgebrochen. Nach der „Demonstration der Stärke“ in Pale hatten die internationalen Friedensstreitkräfte wieder die Nase vorn. Doch schon in der Nacht zum Sonntag explodierten zwei Sprengsätze in Banja Luka, die Gegenseite hat ihr „Zeichen“ gesetzt. Schon während der gesamten Woche waren Bomben explodiert oder Granaten auf internationale Einrichtungen abgeschossen worden. Es gab dabei, von einem Leichtverletzten abgesehen, nur Sachschäden.
Es ist nicht „Volkes Wille“, der hier zum Ausdruck kommt, es sind keine spontanen Aktionen verärgerter Bürger. Es handelt sich bei der Anschlagserie um gezielt und koordiniert durchgeführte Aktionen. Der radikale Flügel der serbischen Extremisten in Pale wird als Urheber vermutet. „Karadžić will ein Zeichen setzen. Er will sagen, daß jede weitere Verhaftung von Kriegsverbrechern zu einer Eskalation des Terrors führen würde“, heißt es im Nato-Hauptquartier in Sarajevo.
Doch jede Bombe führt auch zu einer Vertiefung der Spaltung zwischen den bosnischen Serben. Die in der westbosnischen Großstadt Banja Luka residierende Präsidentin Biljana Plavšić hatte schon vor zehn Tagen Karadžić den Kampf angesagt und in einer nicht öffentlichen Rede gedroht, „alle verfügbaren Mittel zu nutzen, um dieser Politik (von Karadžić und den Radikalen) ein Ende zu setzen“. Sie beschuldigte Karadžić, die Existenz der Republika Srpska aufs Spiel zu setzen, weil er sich weigere, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Würde aber die Zusammenarbeit blockiert, sei „die Serbische Republik in Bosnien am Ende“. Schon damals sickerte durch, daß sie auch eine gewaltsame Aktion zur Verhaftung Karadžić' nicht mehr ausgeschlossen hat.
In einem Spiegel-Interview hat sie jetzt diese Position bekräftigt und erklärt, sie würde in dem Machtkampf „als letzten Ausweg auch Armee und Polizei einsetzen“. Als Antwort Karadžić' wurde Plavšić gestern zwar aus der serbischen Nationalistenpartei SDS ausgeschlossen, der Befehlshaber der serbisch-bosnischen Armee, Pero Ćolić, soll sich nach diplomatischen Quellen jedoch auf ihre Seite geschlagen haben. Ćolić, der 1992 Kommandeur in der Region Prijedor war und selbst auf der geheimen Kriegsverbrecherliste des Den Haager Tribunals stehen soll, wird von internationaler Seite im jetzigen Machtkampf die Gelegenheit gegeben, sich „zu bewähren“. Unterstützt er Plavšić, muß er nicht nach Den Haag.
Die Quellen sagen jedoch auch, daß nicht mit direkten Kämpfen zwischen den beiden serbischen Lagern gerechnet wird. In der Frage der Festnahme von Karadžić rechnet Plavšić mit der Hilfe von internationaler Seite, also mit Hilfe der SFOR. Angesichts der Tatsache, daß die internationale Gemeinschaft in Sarajevo zur Zeit an einem Strang zieht, zeichnet sich eine „intelligente Strategie“ gegenüber der Serbischen Republik in Bosnien ab. Im Zusammenwirken mit Plavšić soll der radikale Flügel ausgeschaltet werden. Dafür sei Plavšić versprochen worden, daß an der Existenz der Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina nicht gerüttelt werde, heißt es in diplomatischen Kreisen. Erich Rathfelder Siehe Debatte Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen