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Vertuschung im Knast ist erlaubt

■ BGH-Urteil verhindert, daß sich Anstaltsleiter Hoff wegen Mißhandlungen an Häftlingen vor Gericht verantworten muß

Jochbeinbruch, Rippenquetschungen, Prellungen, büschelweise ausgerissene Haare – für die Bilanz der Mißhandlungen durch Justizvollzugsbeamte, die sich im Oslebshausener Gefängnis an Häftlingen vergriffen haben, fand die Bremer Kripo eine deutliche Formel: Die Häftlinge seien „einer Art von Folter“ausgesetzt gewesen. Gegen neun Justizvollzugsbeamte ist jetzt Anklage erhoben worden. Sie müssen sich demnächst wegen Körperverletzung im Amt verantworten. Zwei Beamten wird sogar gefährliche Körperverletzung in mehreren Fällen vorgeworfen. Ihrem ehemaligen Chef, Hans-Henning Hoff, der von den Vorfällen zum Teil gewußt haben soll, bleibt das Gerichtsverfahren wegen Strafvereitelung im Amt hingegen erspart. Bevor die Staatsanwaltschaft ermitteln konnte, was Hoff über die Mißhandlungen wußte, wurden die Ermittlungen abgebrochen. Der Grund ist ein umstrittenes Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30. April 1997 (AZ: 2 StR 670/96). Strafvollzugsbeamte hätten „keine Verpflichtung, strafbare Verhandlungen, die Bedienstete der Anstalt an Gefangenen verübt haben, bei den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen“, entschieden die BGH-Richter. Straftaten zu ermitteln sei die Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Hoff soll u.a. von den Mißhandlungen des Häftlings Hacki B. gewußt haben. B. wurde von Beamten so geschlagen, daß er bewußtlos zusammenbrach. Außerdem sind die Strafanzeigen der Gefangenen nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Ob Hoff davon gewußt hat, können die Staatsanwälte nicht mehr ermitteln, weil ihnen durch das höchstrichterliche Urteil die Hände gebunden sind. Es ist erlaubt, Straftaten im Knast zu vertuschen, kritisierte die Frankfurter Rundschau das Urteil. Und auch in Bremen ruft die Entscheidung Kopfschütteln hervor. „Organisierte Unverantwortlichkeit“, schimpfte der Bürgerschaftsabgeordnete Martin Thomas (Grüne) gestern. „Der Justizsenator trägt die Rahmenverantwortung, der ehemalige JVA-Leiter trägt formaljuristisch keine Verantwortung und der zuständige Dienstvorgesetzte in der Amtsleitung hat von allem nichts gewußt.“Wenn der parlamentarische Untersuchungsausschuß, der die Mißstände in Oslebshausen aufklären soll, nicht bereits beschlossen wäre, müßte er spätestens jetzt eingesetzt werden, sagte Thomas weiter. „Ein System, wo niemand für irgendetwas verantwortlich ist, muß dringend genauer untersucht und verändert werden.“

Gegen Hoff, der nach seinem Rücktritt zum Vormundschaftsrichter berufen wurde, ist inzwischen ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Juristen fürchten allerdings, daß es schwierig werden dürfte, den ehemalige Knast-Chef disziplinarisch zu belangen. Das Disziplinarverfahren ist immer an den Sachverhalt gebunden, der im Strafverfahren ermittelt wird. Im Fall Hoff kann die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt aber nicht mehr ergründen. Als Richter müßte Hoff zudem ohnehin nur einen Verweis fürchten. Hoffs Untergebene, jene Beamte, die sich jetzt wegen Körperverletzung im Amt verantworten müssen, sind hingegen versetzt oder vom Dienst suspendiert worden. Die beiden Beamten, denen gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird, müssen sogar mit Freiheitsstrafen und der Entlassung aus dem Dienst rechnen.

Kerstin Schneider

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