Durchs Dröhnland
: Das unvermeidlich Schmeichelhafte austreiben

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Während sich MC Solaar hierzulande eher rar machte, ist sein Kumpel SoonEMC der fleißigste Botschafter in Sachen französischer Schmuse-Rap. Als HipHop noch Live-Aspekte vernachlässigte und oft ein einsames Tüfteln an Sampler und Mischpult war, schwörte unser Freund in Paris bereits auf die guten Vibes, die nur das Arbeiten in der Gruppe ermöglicht. Der unvergleichliche Flow der Stücke entsteht unter seiner Oberaufsicht, aber sowohl die Musiker, die gastierenden Rapper und der DJ jammen auf der Suche nach einem Groove, der viel von den großen amerikanischen Soul-Vorbildern annimmt, in dem sich aber auch ausreichend Verweise auf den Jazz, die große Liebe des Chefs, finden. SoonEMC glaubt, daß er auf seine Weise fortsetzt, was in den späten 40ern und dann in den 50ern Miles Davis oder Sonny Rollins begonnen haben, er sieht seine Musik weniger als HipHop denn als modernen Jazz – eben nicht den Entwurf eines einzelnen Egomanen, sondern entstehend aus dem Zusammenspiel verschiedener Charaktere. Und so hat sich die Musik denn auch vom selbst so getauften „Cool Rap“ der Anfangsjahre etwas entfernt. Die Beats sind zwar nur unmerklich härter geworden, aber vor allem die Raps versuchen, der französischen Sprache das unvermeidlich Schmeichelhafte auszutreiben, was den politischen Texten von Rassismus bis Atomtests ja auch angemessener ist. Doch auch weiterhin bleibt als alles beherrschendes Prinzip: Eleganz bis an die Schmerzgrenze, da wird nicht einmal die geschmäcklerische Saxophon-Klage ausgelassen.

25.7., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Man kann den Linkssentimentalen Transportarbeiterfreunden vorwerfen, sie bedienten DDRomantik, man muß aber nicht. Natürlich wirken die alten FDJ-Gassenhauer heutzutage eher lächerlich, und den Kampfliedern der amerikanischen Genossen geht es nicht viel anders, aber immerhin werden die bonbonbunten Träume von einer besseren, weil sozialistischen Zukunft nicht einfach wiederaufgeführt, sondern durch den Vortrag, der sich fast ausschließlich auf die Stimmen und nur wenige akustische Instrumente verläßt, ausreichend gebrochen, um nicht in der im Namen angedrohten Sentimentalität zu versinken.

25.7., 20 Uhr, El Garten Infernale, Breite Straße 43A, Pankow

Der Sommer ist klimatisch bedingt, und – weil das gleichnamige Loch gefüllt werden will – die Zeit öffentlichen Trinkens unter freiem Himmel mit Musikbeschallung im Volksmund auch Open-air-Konzert geheißen. Weil es sich wohl nicht lohnt, extra eine Bühne im Freien aufzubauen, um dann nur eine Band drauf spielen zu lassen, kommt der geneigte Zuschauer meist in den Genuß marathonhafter Veranstaltungen. Die langen Stunden forden ihren Tribut, die Musik der einen Kapelle hat des öfteren nichts mit der darauffolgenden am Hut, und so kommt es, daß sich meist nur ein Häuflein frenetischer Gesellen vor der Bühne einfindet, während der Rest gemütlich auf dem Rasen lümmelt und an Sonnenstich und/oder Vollrausch arbeitet. So auch beim „Sommer Open Air“ (!!) des Potsdamer Lindenparks, dessen inhaltliche Klammer wohl nur darin besteht, daß alle Bands aus deutschen Landen kommen. Ich kann mir kaum vorstellen, daß sich allzu viele Leute finden, die zum einen die auf zwei Geigen und einem Schlagzeug gespielten Instrumentals von Das Holz aus Berlin gut finden und sich anschließend dann noch an den Kölner Whirlpool Productions und ihrem Entwurf von Disco im Zeitalter von House erfreuen. Auch der irgendwie immer noch dauerhaft jugendliche Schabernack von Andreas Dorau scheint wenig vereinbar mit der desillusionierten Altmännerlyrik von Element of Crime, aber zumindest hier lassen sich vielleicht dann doch noch einige Parallelen finden: Beides ist zumindest melancholisch, bei den Mannen um den inzwischen nach Hamburg verzogenen Sven Regener war das schon immer offensichtlich. Beim Dauerkind Dorau mischen sich seit einigen Jahren in all das Quietschbunte, das von der Neuen Deutschen Welle übriggeblieben scheint, halt eben auch die aufs Frauenkinn geklebten Bärte. Das ist schon fast Dada, recht absurd, reichlich komisch und vor allem traurig. Und der fröhliche Andreas sehnt sich schlußendlich dann doch nur nach menschlicher Gesellschaft: „Es muß doch jemand geben, die genauso ist wie ich / Die einfach nur so rumgeht, und plötzlich trifft sie mich.“ Mit dabei an diesem langen Nachmittag sind außerdem Van der Meer und Dramagold, und ab zehn Uhr abends beschallen DJs eine After Show Party.

26.7., 15 Uhr, Lindenpark, Potsdam, Stahnsdorfer Straße 76

Lutz Ulbrich hat einiges hinter sich. Ende der 60er spielte er bei der inzwischen vergessenen Avantgarde-Formation Agitation Free, später dann und immer wieder bei Ash Ra Tempel. In den 70ern war er vier Jahre lang Lebensgefährte, Begleitmusiker und Drogenkumpel von Nico. Anschließend machte er die Musik für die Theatergruppe Reineke Fuchs. Irgendwann ist er dann nach Moabit zurückgekehrt, wo er immer wohnte, wenn er in Berlin lebte, und nannte seinen Comeback-Versuch „Mond von Moabit“. Der altbackene Rock ging unter, aber die von ihm organisierten 17 Hippies sind gerngesehene Gäste in Biergärten und anderen gemütlichen Orten. Das von ihm als „Salonorchester“ eingestufte Ensemble spielt sich entspannt und relaxt quer durch die Musikgeschichte, kann Klezmer, Osteuropäisches, auch Rockmusik, setzt ganz und gar unsentimental alte Schlager um und macht den „Kriminal-Tango“ zur freundlichen Kaffehausmusik. Selten wohl hat man so hübsch friedlich und schlaff gesessen, sich das Hirn von der Sonne etwas vernebeln lassen, etwas geplauscht und dann vielleicht etwas genauer zugehört. Es ist Easy Listening, und das ist gut so.

26.7., 20 Uhr, KulturBrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!

Fast schon rührend mutet der Hardcore von The Few an. Böswillig hektisches Gitarrengeprügel wird dann zwar manchmal verlangsamt und schon fast ins Metalhafte überführt, aber die vier Hamburger fühlen sich doch am ehesten in einer Welt zu Hause, die vom Crossover noch nichts gehört hat. Kein Funk, kein HipHop, Groove ist was für Weicheier, die Songs heißen dann auch „Pyromanic Verses“ oder „Insomnia“. Zähflüssiges für die melancholische Lederjacke.

31.7., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler