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Preußen-Junker auf der Kontoliste

■ 47 Berliner auf der Kontoliste der Schweizer Banken. Offenbar handelt es sich nur zum Teil um Holocaust-Opfer

Auf der Liste von rund eintausendachthundert herrenlosen Konten, die jetzt von Schweizer Banken veröffentlicht wurde, befinden sich auch die Namen von siebenundvierzig Berlinern. Nach bisherigen Recherchen scheint es sich dabei aber nicht ausschließlich um Holocaust-Opfer zu handeln. Auch die Familie des deutschen Offiziers Axel von dem Bussche, der aktiv in das Attentat auf Hitler verwickelt war, findet sich in der Liste.

Unter den Besitzern „nachrichtenloser Konti“, die von den Schweizer Banken nach jahrzehntelanger Untätigkeit jetzt auf internationalen Druck weltweit publiziert wurden, befinden sich unter anderem auch zwei Berliner Wissenschaftler. Sowohl Hans Herzog als auch Margret Kainer lehrten als Professoren an der Humboldt- Universität. Über ihr weiteres Schicksal war gestern aber bei der Universität nichts zu erfahren. Unbekannt ist auch, ob es Erben gibt, die Ansprüche auf das Konto anmelden können.

Ohne Erben blieb der pommersche Gutsbesitzer William Reiner Joachim von Versen. Auch sein Name findet sich auf der Schweizer Kontenliste. Der 1876 geborene ehemalige Rittmeister des königlichen Garderegiments lebte viele Jahre in der Hardenbergstraße in Charlottenburg. Das Mitglied der Adelsfamilie, deren Stammbuch bis ins Jahr 1049 zurückreicht, starb nach Informationen des Chronisten der Familie ebenso wie sein Bruder nach Kriegsende 1945 auf der Flucht vor der sowjetischen Armee.

William von Versen war nicht jüdischen Glaubens, ebensowenig wie der ebenfalls mit einem Kontoeintrag versehene Theodor von Avenarius. Er war Mitglied der russischen Linie der weitverzweigten Familie, die bis zum 16. Jahrhundert Hafermann hieß und nach der Adelung unter der lateinischen Übersetzung „Avenarius“ firmierte. Über das persönliche Schicksal und die auf dem Konto befindlichen Vermögenswerte von Theodor von Avenarius war von der Familie nichts zu erfahren.

Auch die mit einem Konto registrierte Käthe von Glasenapp stammte aus einer pommerschen Gutsbesitzerfamilie. In der Kontoliste ist auch die kurz nach Kriegsende verstorbene Katharina Mangelsdorff eingetragen. Möglicherweise habe sie unter ihrem Namen Geld für ihre jüdische Schwägerin in die Schweiz geschafft, mutmaßt man in ihrer Familie. Der heute 69jährige Neffe erinnert sich, es habe damals Gerüchte über ein Schweizer Nummernkonto gegeben. Jetzt wolle man sich bei der Revisionsfirma Ernst & Young melden, die für die Überprüfung dieser Fälle von den Schweizer Banken engagiert wurde.

Welcher Hintergrund zur Eintragung in der Kontoliste besteht, konnte auch nicht bei den Namen „D. und Eleonora Freiherr von dem Bussche“ festgestellt werden. Bekannt ist nur, daß ein Mitglied der Familie, Axel von dem Bussche, als Major und Bataillonskommandeur aktiv im Widerstand gegen Hitler war.

Der Ritterkreuzträger und mehrfach schwer verwundete Offizier war im Herbst 1942 in der Ukraine stationiert. Dort wurde er Zeuge von Massenerschießungen von Juden. Danach suchte er Anschluß zum Widerstand und baute enge Kontakte zu Graf Stauffenberg auf. Im Herbst 1943 erklärte er sich bereit, sich bei einer Vorführung von neuen Uniformen gemeinsam mit Hitler in die Luft zu sprengen.

Das Attentat wurde vereitelt, weil Hitler kurzfristig den Termin absagte. Eingeweiht in die Attentatspläne vom 20. Juli 1944, konnte Axel von dem Bussche nur deswegen nicht teilnehmen, weil er kurz vorher schwer verwundet wurde und nach einer Beinamputation im Lazarett lag. Bussche, ein langjähriger Freund des ehemaligen Bundespräsidenten von Weizsäcker, ging nach dem Krieg in den diplomatischen Dienst und starb 1993. Gerd Nowakowski

Wer Angaben zu Erbberechtigten machen kann oder weitere Informationen möchte, kann gebührenfrei unter (0130) 823366 die Revisisonsfirma Ernst & Young anrufen.

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