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■ QuerspalteBogart als Briefmarke

Was haben Bayern München, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Heinrich Heine, der Mystiker Gerhard Tersteegen und das FDP-Denkmal Thomas Dehler gemeinsam? Ihnen will die Deutsche Post AG bis zum Ende dieses Jahres eine Sondermarke widmen. Das ist gerecht, denn die Jungs haben alle viel Gutes getan für Deutschland und seine Vorläufer. Auf die Deutsche Post AG kann man sich eben verlassen.

Für ihre Kollegen in den USA gilt das offensichtlich nicht, denn die wollen in der kommenden Woche Humphrey Bogart als neues Briefmarken-Model präsentieren – in Hollywood natürlich. Hat Bogart das etwa verdient: daß er in Zukunft jeden Tag von Tausenden von Menschen abgeleckt wird, die womöglich keinen seiner Filme kennen?

Wenn Bogart ganz gut war, dann als gewissenloser Gangster. Wenn er richtig gut war, dann als zynischer Antiheld, der im Bedarfsfall auch mal das Gesetz übertritt – wie als Sam Spade und Philipp Marlowe in den Verfilmungen der Hammett- und Chandler-Romane. Für den American Dream, in welcher Variante auch immer, hatten diese Figuren nichts übrig.

So gesehen ist Bogart nicht gerade eine ideale Repräsentationsfigur für ein staatliches Unternehmen, und er selbst würde sich heute vehement gegen die Degradierung zum Postwertzeichen wehren. Lauren Bacall, seine Witwe und zeitweilige Filmpartnerin, sieht das offensichtlich anders, denn sie nimmt an der Präsentationszeremonie teil.

Vielleicht kommt man hinter die Ursache der Verbriefmarkung Bogarts, wenn man sich an eine These erinnert, die der amerikanische Kulturtheoretiker Greil Marcus im Oktober 1992 anläßlich der postalischen Vereinnahmung einer anderen Pop-Ikone aufstellte: „Vor etwa einer Woche brachte die Post die Elvis-Briefmarke heraus, und in dieser Woche wird Bill Clinton als der 42. Präsident der USA in sein Amt eingeführt: ein nicht unbedingt zufälliges Zusammentreffen“, schrieb er. Was mag die Bogart-Briefmarke bedeuten? René Martens

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