Bundesliga im Test: Irdisch und monetär
■ Streßfrei und gelassen gewinnt Bayern München den Ligapokal
Der Ligapokal ist eine schöne Sache. Denn wie man weiß, ist Profifußball heutzutage eine sehr ernste Angelegenheit, und alle Beteiligten haben unheimlich viel Streß im Ringen um Titel und Plazierungen und Verträge und historische Meriten – und Geld. Der Ligapokal aber ist in diesem erbarmungslosen Treiben ein Hort der Gelassenheit. Absolut streßfrei und weniger Wettbewerb denn Training auf hohem Niveau und vor zahlendem Publikum. Für kleinere Erst- und alle Zweitligavereine ginge es sogar um ziemlich viel Geld. Aber an den Übungseinheiten nehmen nur die sechs erfolgreichsten Vereine der Vorsaison teil. Und für einen Klub wie den ersten Ligapokalsieger FC Bayern München ist es natürlich egal, ob er 2,5 Millionen Mark mehr oder weniger kassiert.
Auch für die Spieler ist das neueste Produkt des DFB nicht der Titel, von dem sie schon immer geträumt haben. Wird man sich in zehn Jahren darüber freuen? Da niemand das glaubt, sind alle verhalten gleichgültig. Soviel aber steht fest, jedenfalls für Thomas Helmer, der es wissen muß, weil er Bayern-Mannschaftskapitän mit Abitur und Helmer und sein BergkristallFoto: AP
Rhetorikschulung ist: „Mit anderern Pokalen ist der Ligapokal nicht vergleichbar.“ Auch die Trophäe ist anders als andere, ein metallenes Sechseck mit Bergkristallformation im Zentrum. Angeblich ist die Gestaltung von männlichen Ritualen der Navajo-Indianer inspiriert, das Stück wirkt aber eher wie Kaugummiautomaten- schmuck im Großformat. Unter Flutlicht glitzert es in den Händen zappeliger Titelträger, als müsse es dringend Kontakt zu Sojourner aufnehmen.
Aber alles ist irdisch im Ligapokal. Und monetär. Die Finalpremiere wurde im Ulrich-Haberland-Stadion zu Leverkusen ausgetragen, um derart zehn VIP-Logen einzuweihen, die sich die Geldvermehrungsabteilung von Bayer 04 ausgedacht hat. So sieht das aus: Firmen zahlen 130.000 Mark pro Spielzeit für 14 gepolsterte Hinterglasplätze, mit Bad und Bildschirm, Telekommunikation und Restauration. Die VIP-Logen waren am Sonnabend nicht voll besetzt, die herkömmlichen Tribünen auch nicht. Aber immerhin 15.000 Menschen waren gekommen, um den Meister aus München gegen den Pokalsieger aus Stuttgart spielen zu sehen. Das erste Ligapokalfinale war mithin nichts anderes als ein herkömmlicher Supercup. Aber doch befanden Spieler und Funktionäre, daß der neue Wettbewerb schön sei. Offenbar ist früher viel Schindluder getrieben worden, wie nun Bayerns Manager Uli Hoeneß enthüllte. „Dieses Mal haben es die Trainer sehr ernst genommen und die besten Mannschaften aufgestellt; es war kein Betrug an den Zuschauern wie in den vergangenen Jahren.“
Die Trainer Giovanni Trapattoni und Joachim Löw ergänzten, daß sie Erkenntnisse aus den Spielen gezogen hätten. Im Falle des Siegers, FC Bayern München, auch „Moral“ (Trapattoni). Den Grundstein legte Mario Basler in der zweiten Halbzeit durch einen Ich-kann- alles-wenn-ich-will-Rechtsschuß aus der Distanz ins obere Toreck. Später traf noch Giovane Elber nach schwer abseitsverdächtigem Antritt. Daß keiner seiner ehemaligen Kollegen vom VfB sich auch nur pro forma aufregte, entsprach der Muße der Begegnung. Man könnte es auch Langeweile nennen. Denn allen fehlte vor allem „Spritzigkeit“ (Löw, Helmer). Das störte aber niemanden, weil es eine Woche vor Bundesligastart programmgemäß ist.
Genau wie der 2:0-Erfolg der Bayern. Helmer, nach der Kapitänsdemission von Matthäus atemberaubend schnell nachgewachsener Vielredner, drohte: „Wir haben mit dem Sammeln angefangen.“ Meint Titel. Schon Hoeneß hatte unlängst angekündigt, ohne Niederlage durch die Saison kommen zu wollen. Die Bedeutung des Ligapokals überschätzt er deshalb nicht. Wird der Titel in den Vereinsbriefkopf aufgenommen? „Ich glaube nicht.“ Genau kann er es aber nicht sagen, denn solcherlei entscheidet eine Präsidiumssitzung. So schöne Fragen hinterläßt der Ligapokal. Katrin Weber-Klüver
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