: Asean-Initiative für Kambodscha
Der Staatenverbund rückt von seiner Politik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten seiner Mitglieder ab. Die USA begrüßen das, kritisieren aber die Haltung zu Birma ■ Von Jutta Lietsch
Bangkok (taz) – Zwei Themen beherrschten das diesjährige Ministertreffen des südostasiatischen Staatenverbundes Asean in Kuala Lumpur: Der Streit um Kambodscha und Birma und die schweren Wirtschaftsprobleme in der Region. Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad beschuldigte am Samstag den amerikanischen Geschäftsmann George Soros, er habe mit Devisenspekulationen in großem Stil die jüngsten dramatischen Wertverluste der südostasiatischen Währungen verursacht.
Der Grund: Soros, der mit den Gewinnen aus seinen Spekulationen seit Jahren Demokratiebewegungen in Birma und vielen anderen Ländern unterstützt, wolle Asean für die Aufnahme der birmesischen Militärjunta als neues Mitglied bestrafen. „Wir haben zwanzig bis vierzig Jahre daran gearbeitet, unsere Länder so weit zu entwickeln“, sagte Mahathir, „und dann kommt dieser Mann mit ein paar Milliarden US-Dollar; und innerhalb von zwei Wochen macht er fast alles zunichte, was wir geschaffen haben.“ Diese Verschwörungstheorie des 72jährigen Politikers teilten in Kuala Lumpur allerdings keineswegs alle Vertreter der neun Asean-Staaten. Viele machen neben den üblichen Währungsspekulationen eher die schlechte Konjunktur und die chaotische Finanzpolitik vor allem der thailändischen Regierung in Bangkok verantwortlich. Der Ausbruch Mahathirs kam vor dem Hintergrund wachsenden Drucks vor allem aus den USA und Europa auf Asean, sich stärker für eine friedliche Lösung in Kambodscha und Demokratisierung in Birma zu engagieren.
Auch innerhalb der Asean glauben immer mehr Politiker, daß sich die Gruppe nicht prinzipiell aus den inneren Angelegenheiten ihrer Mitgliedstaaten heraushalten kann. Mahathirs Stellvertreter, der amtierende Regierungschef Anwar Ibrahim, erklärte zum Beispiel, die Zeit sei reif, an „eine konstruktive Einmischung“ zu denken. Nach dem Putsch in Kambodscha hatte Asean bereits danach gehandelt: Das Bündnis verschob die Aufnahme des Landes und versuchte, zwischen den verfeindeten Franktionen in der Regierung in Phnom Penh zu vermitteln. Allerdings wies der Sieger im Machtkampf, Premier Hun Sen, diesen Vorstoß brüsk zurück.
Vor dem gestrigen Sicherheitsforum der Asean (ARF) in Kuala Lumpur unterstützte US-Außenministerin Madeleine Albright den Entschluß der Asean, einen neuen Vermittlungsversuch in Kambodscha zu wagen. Auch ihr chinesischer Amtskollege Qian Qichen stimmte einem Asean-Vorstoß zu. Allerdings müsse „das kambodschanische Volk“ letztlich selbst entscheiden, sagte Qian. Dabei hatte Kambodschas unberechenbarer Zweiter Premierminister Hun Sen seine Nachbarn in den letzten Tagen mehrfach zur Weißglut getrieben: Während Außenminister Ung Huot in Kuala Lumpur erklärte, sein Chef sei zu neuen Gesprächen bereit, verbat sich der zuhause aufs Neue jede „Einmischung von außen“.
Der US-Sondergesandten Stephen Solarz hatte zuvor Hun Sen besucht und ihm einen Vorschlag für eine „politische Lösung“ vorgelegt: Nach Angaben des US-Regierungssprechers Nick Burns sieht dieser unter anderem vor, daß Hun Sen seine persönliche Leibgarde von etwa 1.500 Soldaten abbaut, die in und um Phnom Penh Oppositionelle bedroht. Außerdem müsse Hun Sen den geflüchteten Oppositionellen erlauben zurückzukehren. Freie und faire Wahlen sollten im Mai kommenden Jahres wie geplant stattfinden. Doch bislang sieht Hun Sen wenig Grund nachzugeben.
Heute soll das kambodschanische Parlament erstmals wieder zusammentreten. Abgesandte Hun Sens haben in den letzten Tagen versucht, geflüchtete Parlamentarier in Bangkok zur Rückkehr zu überreden. Amnesty international zufolge sind nach dem Putsch rund 2.000 Politiker und andere Kritiker ins Ausland und an die thailändische Grenze geflüchtet. Etwa 90 von 120 Abgeordneten blieben in Kambodscha. In den nächsten Tagen sollen sie Außenminister Ung Huot zum Nachfolger des gestürzten Ersten Premierministers Prinz Norodom Ranariddh wählen. Auch die US-Regierung will diesen nicht mit Geld oder gar Waffen unterstützen – sie ist daher froh, wenn die Asean sich in Kambodscha einschaltet.
Die Entwicklung in Phnom Penh nahmen PolitikerInnen wie Madeleine Albright zum Anlaß, Asean „Doppelmoral“ vorzuwerfen: Die Junta in Birma sei ebenso durch einen Putsch an die Macht gekommen, erklärte sie. Sie destabilisiere durch ihre Drogenexporte und Unterdrückung ihrer Bevölkerung die Region. Neue Konflikte zwischen den Europäern und der Asean sind bereits abzusehen: Die EU will Birma aus dem Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Regionen ausschließen. Birma soll keine Hilfsgelder erhalten. Zudem werden die Staaten der EU – wie die USA – birmesischen Politikern auch künftig Einreisevisa in ihre Länder verweigern.
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