Spitzenreiter im „Rückführen“

Überproportional viele Bosnier verlassen Hamburg „freiwillig“. Grund: massiver Druck. Wrocklage bestreitet Nötigung  ■ Von Silke Mertins

Hartmuth Wrocklage, sozialdemokratischer Innensenator und bekennender Humanist, ist stolz: Aus Hamburg sind „überproportional viele“Bürgerkriegsflüchtlinge „frei-willig“nach Bosnien zurückgekehrt. Mehr als 2.000 der insgesamt 12.500 BosnierInnen hätten die Hansestadt bereits verlassen. 18 Flüchtlinge wurden abgeschoben. Darunter waren vier aus der noch immer von Serben kontrollierten Republika Srpska. Eine „zweistellige Zahl“an Abschiebekandidaten gebe es derzeit in Hamburg. Mit ihnen würde „konsequent, aber auch sensibel umgegangen“.

Aus den Gründen für die vergleichsweise große Ausreisebereitschaft machte der Innensenator kein Geheimnis. Von Anfang an habe er „keinen Zweifel“daran gelassen, daß es für Bosnier „keine Zukunft“in Deutschland gebe. „Klare Aussagen, für die ich auch genügend gescholten wurde.“Seine Politik zeuge „nicht von Unmenschlichkeit, sondern ist im Interesse der Sache“. Der Druck auf die bosnischen Behörden, die sich „ihrer Verantwortung stellen“müßten, dürfe nicht nachlassen.

Als gemein und „kampagnenartige Zuspitzung“wies Wrocklage Pressevorwürfe zurück, die Ausländerbehörde habe bosnische Flüchtlinge unter Androhung von sofortiger Abschiebung zur „freiwilligen“Ausreise genötigt. In der Ausländerbehörde herrsche ein „freundliches Klima“bei gleichzeitiger „sachlicher Härte“.

Gegen die Flüchtlinge, die diese „Gerüchte“in Umlauf gebracht hätten, sei Strafanzeige erstattet worden. „Wrocklage schwingt die Keule“, statt die Vorfälle „lückenlos aufzuklären“, erregt sich die GAL-Abgeordnete Sabine Boehlich.

Auch den Vorwurf, Hamburg fahre in der Bosnienpolitik zusammen mit Bayern eine besonders harte Linie, wies Wrocklage weit von sich. Bundesländer, die erheblich weniger Flüchtlinge aufgenommen hätten als Hamburg, spielten sich nun als „Hüter der Moral“auf. In der Vergangenheit war vor allem Kritik aus Schleswig-Hol-stein, das 4.000 Flüchtlinge aufgenommen hat, laut geworden. Hamburg habe 1995 und 1996 etwa 250 Millionen Mark für BosnierInnen ausgegeben, so Wrocklage. Als Rückkehrprämie würde zudem ein Monatssatz Sozialhilfe plus Fahrgeld gezahlt; rund 3.000 Mark für eine vierköpfige Familie.

Politisch umstritten sind vor allem Hamburgs „Rückführungen“in die serbisch kontrollierte Republika Srpska. Trotz Dayton-Abkommen ist die Heimkehr für Bosnier faktisch unmöglich. „Die Voraussetzungen für eine Rückkehr in die Republika Srpska sind noch lange nicht gegeben“, sagte der UNHCR-Sprecher in Sarajevo, Kris Janowski, vergangene Woche gegenüber dem Spiegel. Ein Flüchtlingsstrom könne die Situation in Bosnien verschärfen; die Aufnahmelager seien bereits überfüllt.

Hamburg beharrt dennoch auf „Rückführung“. Etwa 60 Prozent der Flüchtlinge stammt aus Srpska. Vorerst hierbleiben dürfen lediglich Familien mit minderjährigen Kindern. Bei allen anderen werde „nach Einzelfallprüfung“der Aufenthalt beendet. Abschiebung erfolge allerdings „nachrangig“.