piwik no script img

Allein unter Männern

■ Eine Ausstellung und viele Fragen. Zum Beispiel: Warum meiden Frauen "100 Jahre Schwulenbewegung"? Gerade fünf Prozent der BesucherInnen sind Frauen

Sechzig Männer und eine Frau. Die Männer: alle schwul; die Frau: Rosemarie Köhler, „nicht mehr die Knackjüngste“. Diese Frau nun, Rosemarie Köhler, ist seit zehn Jahren Mitarbeiterin der Akademie der Künste und führt seit zwei Monaten durch die Ausstellung „Goodbye to Berlin? 100 Jahre Schwulenbewegung“. Oft führt sie nur Männer, „einmal waren es sechzig, und ich war die einzige Frau“. Was Rosemarie Köhler nicht unangenehm ist. „Denn die Männer sind sehr wissbegierig. Lesen alles und lesen lange. Stellen viele Fragen.“ Freilich, auch mal komische wie die: „Machen Sie das eigentlich freiwillig?“ „Selbstverständlich“, habe sie geantwortet.

Was Rosemarie Köhler aufgefallen ist: Unter den Besuchern sind kaum Frauen und kaum Heterosexuelle. Sie hat mal hochgerechnet und kam zu dem Ergebnis: „Fünf Prozent Frauen“. Woran das liegen mag, haben sich die Ausstellungsmacher, die Herren vom Schwulen Museum, gefragt, und die Herren von der Pressestelle, schwul natürlich, haben daraufhin einen Hilferuf verfaxt. „Die Ausstellung zeigt die Gründe und Abgründe der Diskriminierung von Menschen, die anders leben und anders lieben wollen. Ein Thema also, das Frauen nahegehen könnte, denen Gleichberechtigung und Humanismus wichtig sind.“ Daher werde es ab sofort „Frauenführungen durch die Ausstellung geben“. Ob es demnächst auch Führungen für Vegetarier, für PDS-Mitglieder und für Manta- Fahrer geben werde, spöttelte vorab schon mal eine Berliner Zeitung.

Den Männern ist's egal. Sie sind begeistert. „Großartig, diese Ausstellung“, schrieb Bernd aus Frankfurt ins Gästebuch. „Komme wieder“, notierte Klaus aus Leipzig. „Besser kann unsere eigene Geschichte gar nicht dargestellt werden“, merkte Felix aus Zürich an. Die Frauen, die da waren, sehen das ein wenig anders. Anja zum Beispiel: „Na, Ihr Lieben, da habt Ihr aber die Lesben ganz und gar vergessen. Is' nich' fein“. Eine Besucherin feixte: „Habt Ihr etwa Angst vor Frauen?“ und fügte hinzu: „Ich habe keine vor Euch!“

Näher betrachtet stellt sich nicht nur die Frauen-Frage. „18.000 Besucher bisher“ vermeldet die Akademie der Künste. Was nicht schlecht ist im Vergleich zu anderen Ausstellungen. Was aber ein wenig enttäuschend ist, wenn man weiß, daß allein in Berlin 140.000 Schwule leben. „Die starke Faschingsfraktion unter den Schwulen geht wohl nicht unbedingt in so eine Ausstellung“, meint Klaus- Peter Herbach, Akademie Pressesprecher. Die Zahl 18.000 aber finde er „akzeptabel, wenngleich auch nicht umwerfend“.

Nicht umwerfend – das Stichwort für eine andere Frage. Wird das Schwule Museum, Organisator der Ausstellung, von dieser profitieren können? Die Mitarbeiter des Museums hatten sich dies erhofft. Denn die Existenz ihrer Einrichtung stehe noch immer auf dem Spiel, nach wie vor fehle Geld. Also stellten sie am Eingang eine kleine Spendenbüchse auf – mit dem Resultat: 1.300 Mark. Angenommen, jeder Besucher hat etwas gegeben, dann gerade mal einen Groschen. Nun ja, nicht gerade umwerfend! Jens Rübsam

Die erste Frauenführung: heute, 18 Uhr, in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10. Dann wieder am Freitag und am kommenden Dienstag, jeweils 18 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen