■ Steuerreform: Die Koalition kommt nicht vom Fleck
: Wenn die Politik stillsteht

Die Reporter der Tour de France durften sich glücklich schätzen. Sie konnten von Zielstrebigkeit, Durchsetzungskraft, Höchstleistungen berichten, von Teamwork und schließlich von zählbarem Erfolg. Undenkbar für Berichterstatter der Bonner Politik.

In Bonn findet die Bewegung auf dem Trimmrad statt. Die Akteure strampeln sich zwar ab, kommen aber keinen Zentimeter voran. Der Vorschlag des Oppositionsführers, SPD-Chef Oskar Lafontaine, die Wahlperiode auf fünf Jahre zu verlängern, kommt einem Eingeständnis gleich: Das liebste Spiel ist die Suche nach dem Sündenbock. Mal ist es das Kräfteverhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat, mal die Länge der Wahlperiode – und immer die Unvernunft des politischen Gegners. Die Durchsetzung sachbezogener Politik scheint in den Hintergrund zu geraten. Derzeit laufen zudem die Spekulationen über künftige Koalitionen den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß über die Steuerreform den Rang ab.

Es verwundert schon, mit welcher Offenheit Koalition und SPD eingestehen, an Ergebnissen kein Interesse mehr zu haben. Schon vor Beginn der Verhandlungen über die Steuerreform sagten beide Seiten deren Scheitern voraus. Als wenn damit irgendwelche Probleme behoben wären. Der nächste Koalitionsstreit folgt für die Koalition jedenfalls auf dem Fuße: So wird der Disput zwischen Union und FDP über ein eigenständiges Solisenkungsgesetz, wie es die FDP schon jetzt fordert, erst richtig entbrennen.

Gerade am Soli wird aber deutlich, daß die Union eigentlich gar nicht mehr handeln will. Wenn sie es mit den Steuersenkungen wirklich ernst meinte, würde sie von der Senkung des Solis keinen Deut abrücken. Schließlich könnte sie damit, unabhängig von der SPD, eine Nettoentlastung von 7,5 Milliarden Mark durchsetzen. Der Koalitionslogik zufolge wäre diese Summe besser als nichts, um positive Signale zu setzen und Investitionsanreize zu schaffen. 30 Prozent des Solis werden schließlich von der Wirtschaft aufgebracht.

Doch die Union sitzt das Problem aus. So ist noch immer unklar, wie sie denn das mindestens 30 Milliarden Mark große Loch stopfen will, das ihre Steuerpläne in den Etat reißen würden. Statt dessen kündigt Kohl an: „Wir werden von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf ziehen, um den Menschen von der Blockadehaltung der SPD zu erzählen.“ Den Menschen wird es nichts nutzen. Markus Franz