■ Spanien: Herri Batasuna ist in einer tiefen politischen Krise
: Im gesellschaftlichen Abseits

„Sie haben versucht, uns von der Straße zu fegen. Es ist ihnen mißlungen“, erklärte Floren Aoiz, Sprecher der Herri Batasuna (HB), des politischen Arms der ETA, selbstgefällig nach der Demonstration der nationalistischen Wahlkoalition am Sonntag. Die Demonstration, genau zwei Wochen nach der Ermordung des konservativen Gemeinderats Miguel Ángel Blanco Garrido, konnte dennoch nicht über die Krise im linksnationalistischen Lager hinwegtäuschen. Nur 18.000 Menschen waren nach Sán Sebastian gekommen, so wenige wie noch nie bei einem landesweiten HB-Aufruf. In einer zugespitzen politischen Lage, wie sie das Baskenland erlebt, reicht das nicht einmal für einen Achtungserfolg. Noch vor zwei Jahren, als ETA einen baskischen Unternehmer entführt hielt, stritt die baskische Presse, ob ETA-Gegner oder ETA-Befürworter mehr Menschen auf die Beine brachten. Inzwischen ist der Ruf „Basta ya!“ in und außerhalb des Baskenlandes so laut, das sich jedes Aufrechnen von Kräften erübrigt.

Doch will der Anti-ETA-Block auch auf Dauer glaubhaft bleiben, dann dürfen unbequeme Fragen nicht weiterhin ausgeklammert werden. Sonst verkommen sie zu Exklusivthemen der radikalen Nationalisten. Das gilt an erster Stelle für die Gefangenenpolitik. Akzeptierten die baskischen Parteien die für Häftlinge und Angehörige unerträgliche – und im übrigen auch verfassungswidrige – Aufteilung der über 500 ETA-Gefangenen auf die Gefängnisse, würde dies von vielen Menschen im Baskenland als Kniefall vor Madrid verstanden werden und der HB Sympathien zurückbringen. Trotz der Anti-ETA-Proteste in den letzten Wochen.

Gleiches gilt auch für übereilte strafrechtliche Schritte, wie der für Oktober angesetzte Prozeß gegen den HB-Vorstand vor den Madrider Audiencia Nacional wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Verfahren wegen Gewaltverherrlichung, die HB im Fall Miguel Ángel Blanco Garrido einmal mehr propagierte, richten mehr Schaden an, als daß sie nützen. Ein Recht auf freies Morden kann selbstverständlich niemandem zugestanden werden, ein Recht auf freies Reden schon. Die spanische und baskische Zivilgesellschaft ist reif genug, um solche Äußerungen ins gesellschaftliche Abseits zu drängen. Was kein Richter und kein Politiker weder im Baskenland noch in Madrid je erreicht haben – die HB- Agitatoren besorgen es selbst. Reiner Wandler