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Ukrainischer Flüchtling darf hoffen

Niedersächsisches Innenministerium hält Zusage gegenüber Benediktinerinnen ein: Asylbewerber aus Abschiebehaft entlassen. Ausreise der Familie nach Kanada wahrscheinlich  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Wieder bei seiner Familie und wieder in der Obhut der Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage ist der 33jährige Flüchtling aus der Ukraine, den die niedersächsischen Behörden vor dreizehn Tagen unter Bruch des Kirchenasyls in Abschiebehaft genommen hatten.

Der Flüchtling, den in seiner Heimat eine Bestrafung wegen Desertion aus der Schwarzmeerflotte erwartet hätte, sei am Montag abend aus der Abschiebehaft im Vechtaer Gefängnis entlassen worden, teilte das Innenministerium in Hannover gestern mit.

Zuvor sei bei der kanadischen Botschaft in Bonn eine Garantie- Erklärung für die Flüchtlingsfamilie Zubatschew eingegangen, die eine kanadische Ordensgemeinschaft aus Winnipeg bei den dortigen Einwanderungsbehörden abgegeben habe. Da nunmehr mit der kanadischen Botschaft die Formalitäten einer Übersiedlung der dreiköpfigen Flüchtlingsfamilie abgewickelt werden könnten, habe kein Grund mehr für eine weitere Abschiebehaft des Flüchtlings bestanden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover.

Die Benediktinerinnen der Abtei Burg Dinklage, die vor dreizehn Tagen die unmittelbar bevorstehende Abschiebung der Familie in die Ukraine nur durch Blockade des Polizeifahrzeugs verhinderten, hatten von vornherein gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde angegeben, daß die Ausreise der Familie nach Kanada vorbereitet würde. Auch für die in Winnipeg hinterlegte Garantie- Erklärung hatten die Benediktinerinnen durch ihre Beziehungen nach Kanada gesorgt. Obwohl Niedersachsen ungeachtet der Bemühungen um eine Ausreise nach Kanada das Kirchenasyl gebrochen hatte, erklärte der Sprecher des Innenministeriums gestern: „Uns freut es auch, wenn es nun eine bessere Lösung als die Abschiebung in das Heimatland gibt.“

Der niedersächsische Flüchtlingsrat stellte gestern einen Zusammenhang zwischen dem ersten und nun abgewehrten Bruch des Kirchenasyls und der steigenden Zahl von Flüchtlinge her, die inzwischen in Niedersachsen in kirchlichen Einrichtungen Schutz suchen. Bundesweit gebe es zur Zeit 53 Fälle von Kirchenasyl, davon in Niedersachsen allein 19. Da in Hannover die Politiker Gerhard Schröder, Innenminister Gerhard Glogowski und CDU-Chef Christian Wulff öffentlich darum stritten, wer die inhumane Abschiebungsmaschinerie am besten bedienen könne, habe die Landesregierung auch das Kirchenasyl als letzten Ausweg für Flüchtlinge nicht mehr respektiert. Dabei treibe die Landesregierung durch eine rigorose Abschiebepolitik immer mehr Flüchtlinge in diesen letzten Ausweg, sagte Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates. In den vergangenen Tagen haben in Barsinghausen bei Hannover und in Uchte im Landkreis Nienburg erneut zwei Kirchengemeinden zwei kurdische Familien aufgenommen. Eine der Familien lebt seit elf Jahren in der Bundesrepublik. In Uchte will die Gemeinde einen Kurden schützen, auf den in der Türkei ein sogenannter Terroristenprozeß wartet.

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