: Späte Ideen gegen Hemelinger Tunnel
■ Grüne schlagen alternatives Verkehrskonzept für Bremer Osten vor: „Halb so teuer, doppelt so gut“/ Brüggeweg den Autos opfern, dazu neue Buslinien und Bahnstationen / Koalition winkt ab
Die Grünen wollen den Bau des Hemelinger Tunnels in letzter Minute doch noch verhindern. Unter dem Slogan „Halb so teuer, doppelt so gut“stellte die Bürgerschaftsabgeordnete Karin Krusche ein Bündel von Maßnahmen vor, die das 350-Millionen-Projekt überflüssig machen könnten. Kern des Vorschlags, der nach der Sommerpause an die Bürgerschaft gehen soll: Der stark befahrene Brüggeweg wird als Wohnstraße geopfert und fungiert als reine Auto-Schneise.
„Solange noch nicht gebuddelt wird, läßt sich noch alles rückgängig machen“, sagte Krusche. Das sei jedenfalls günstiger, als die von Senat und Bürgerschaftsmehrheit beschlossene „unzeitgemäße Wahnsinnsplanung“zu realisieren. Regierungskoalition und Bauverwaltung ließen gestern jedoch keinerlei Bereitschaft erkennen, die Beschlüsse für den Tunnel zwischen Autobahnzubringer und Seebaldsbrücker Heerstraße zu überdenken.
Wenn der Brüggeweg als Verbindungsweg erhalten bliebe, sei er fast so leistungsfähig wie die beschlossene zweispurige Tunnelversion. Die im Gebiet zukünftig erwarteten Verkehrs-Zuwächse ließen sich mit neuen Buslinien, Bahnhaltepunkten, Fahrradwegen und einigen kurzen neuen Straßenverbindungen auffangen, so das Konzept der Grünen. Sie berufen sich mit ihrer Einschätzung auf eine von ihnen in Auftrag gegebene Studie des Büros für Verkehrsökologie. Die 100 Anwohner des Brüggewegs wollen die Grünen entschädigen und umsiedeln. Bereitschaft dazu sei nach der „jahrelangen Leidensgeschichte“des Lebens an der Automeile durchaus vorhanden, hat Krusche beobachtet.
Warum die Vorschläge so spät kommen? „Vor einem Jahr sah es noch so aus, als sei der Tunnel politisch tod“, sagte Krusche. Sie erinnerte an Auftritte der Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU, Weber und Neumeyer, bei denen diese den Tunnel als verzichtbar bezeichnet hatten.
Der Tunnel löse die Probleme im Verkehrsnetz des Bremer Ostens nur punktuell, sagte Verkehrsplaner Klaus Schäfer-Breede vom Büro für Verkehrsökologie. Er habe dagegen aus bestehenden Planungen und eigenen neuen Ideen ein Konzept für den gesamten Raum ausgearbeitet. Details müßten aber noch weitergeplant werden. Finanzieren ließe sich das auf 165 Millionen Mark kalkulierte Bündel aus den 350 gesparten Tunnel-Millionen. Mit dem Rest wollen die Grünen Schulden tilgen.
Neue schnelle Buslinien samt eigener Spur auf der Osterholzer Heerstraße, zum Weserpark und entlang der Bahnlinie südlich der Osterholzer Feldmark schlägt Schäfer-Breede vor. Mehrere neue Haltepunkte für die Bahn mit Zubringerbussen zum Mercedes-Werk könnten viele der Tausenden von Pendlern zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr bewegen. Die Barriere der Bahnlinie nach Achim wollen die Grünen an mehreren Stellen durchbrechen, unter anderem solle am Bruchweg eine Brücke über die Bahn gebaut werden. Außerdem will Schäfer-Breede das Fahrradwege-Netz ausbauen.
CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer bekräftigte ungeachtet der Grünen-Vorschläge den Tunnel-Beschluß der Koalition: „Es ist jetzt lange genug diskutiert worden, nun werden Fakten geschaffen“. Auch in der SPD ist der Tunnel kein Thema mehr. Die Bauverwaltung will noch in diesem Jahr das Planungsverfahren beginnen. Spätestens Anfang 1999 werde gebuddelt. Joachim Fahrun
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