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Menschenwürdig sterben

■ Bau eines Aids-Hospizes auf St. Pauli hat begonnen. Eröffnung im Frühjahr 1998

Noch sind die Fenster vernagelt. Die Fassade, einst in freundlichem beige-orange, ist grau ermattet und bröckelt. Seit rund sechs Jahren steht das Seitengebäude des ehemaligen Israelitischen Krankenhauses an der Simon-von-Utrecht-Straße in St. Pauli leer. Bald soll es sich mit neuem Leben füllen. Im kommenden Frühjahr wird ein Hospiz für HIV-Infizierte und Aidskranke in das Haus Einzug halten, an dem gestern die Umbau-Arbeiten begonnen haben.

In Hamburg gibt es über 7.500 HIV-infizierte Menschen. Rund achtzig Prozent sind Männer, der Rest Frauen. Jedes Jahr sterben allein in der Hansestadt über 200 Menschen an den Folgen von Aids. Bislang sind es insgesamt 1.016. Viele erleben ihre letzten Stunden im Krankenhaus, viele gegen ihren Wunsch – sie sind zu krank, um sich zu Hause selbst zu versorgen, sind mangels sozialer Kontakte allein. Im neuen Hospiz sollen sie einen Ort „zum menschenwürdigen Leben und Sterben“finden, erläuterte Rüdiger Hülskamp, Geschäftsführer der „Hamburg Leuchtfeuer Aids Hilfe GmbH“. Das Pflegehaus ist das erste dieser Art bundesweit.

Elf Zimmer für ebenso viele Aidskranke wird das Hospiz bieten. Eine Köchin soll für die PatientInnen individuell nach ihren Bedürfnissen kochen. Zudem hält das Haus Räume für Gäste bereit. Hier ist vor allem an Angehörige gedacht, die bei den Kranken bleiben möchten. ÄrztInnen wird es keine geben. Die PatientInnen sollen weiterhin von den ihnen bekannten HausärztInnen betreut werden.

Im Hospiz soll mehr als eine „Satt-und-Sauber-Pflege“angeboten werden. 15 hauptamtliche BetreuerInnen werden dort arbeiten und sich „Zeit für die Kranken nehmen“, wie Hülskamp hofft. Das nämlich soll das Haus von einem Krankenhaus unterscheiden. „Die wohnliche Atmosphäre steht im Vordergrund.“

Finanziert wird der Aufenthalt der PatientInnen im Hospiz von den Krankenkassen, der Pflegeversicherung und bei Bedarf vom Sozialamt. Von den erforderlichen Bauinvestitionskosten in Höhe von 4,7 Millionen Mark hat „Leuchtfeuer“bereits rund drei Millionen an Spenden gesammelt, 600.000 Mark kommen von der Stadt und 200.000 vom Deutschen Hilfswerk. Für den Rest ist das Aids-Hilfe-Projekt auf Spenden angewiesen. Elke Spanner

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