: „Natürlich ist ,Mitte‘ kein Name“
■ Die Koalition scheut die Namensdebatte der neuen Bezirke wie der Teufel das Taufwasser. Bindestrichnamen sollen Identität bewahren. Volksabstimmung?
Das Problem liegt genau in der Mitte. „Ich bin dafür, daß ,Mitte‘ sich durchsetzt, aber natürlich ist ,Mitte‘ kein Name.“ Das sagt eine, die schon lange in dem Bezirk mit der seltsamen Bezeichnung wohnt. Für die Gesetzesschreiber der Innenverwaltung war das eh klar. Als sie nach einem Namen für den neuen Bezirk „Mitte-Tiergarten- Kreuzberg“ suchten, fanden sie „Mitte“ überzeugend. „Weil es eine so schöne große Mitte in Berlin gibt, heißt das eben Mitte“, sagt ein Beamter.
„Mitte ist kein Name“, betont hingegen der Tiergartener Bürgermeister Jörn Jensen (Bündnis 90/Die Grünen) seit geraumer Zeit. Auch wenn ihm die Bürgernähe und die Servicequalität neuer Bezirksverwaltungen wichtiger ist, hat er die Namensfrage schon früh gestellt. Sein Parteifreund und Rathauschef in Kreuzberg, Franz Schulz, will „alles tun, damit das nicht passiert“: Mitte. Damit Kreuzberg Kreuzberg bleibt.
Wenige Tage, nachdem Innensenator Schönbohm seinen Entwurf für das Gebietsreformgesetz vorgelegt hat, ist die Debatte um die Ortsnamen entbrannt. Am 24. August endet die Sommerpause, dann wird nach Jahren ausgiebiger Diskussion im Abgeordnetenhaus Tacheles darüber geredet, aus bislang 23 Bezirken 12 zu formen. Das verfassungsändernde Gesetz braucht eine Zweidrittelmehrheit – entsprechend bemüht sind alle Beteiligten, die brisante Namensfrage zu umgehen.
Paragraph 2 des Gesetzentwurfs heißt: „Die Namen der Bezirke lauten: Mitte-Tiergarten-Kreuzberg (Mitte), Friedrichshain-Lichtenberg, Wedding-Prenzlauer Berg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau, Zehlendorf-Steglitz, Schöneberg-Tempelhof, Neukölln, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Weißensee- Pankow-Hohenschönhausen (Weißensee).“
„Die Namen sind ein immenses Problem für die Menschen“, gesteht der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dieter Hapel. Die Bewohner eines Bezirks wollen sich im Ortsnamen wiederfinden. Aber Hapel fürchtet das Thema wie der Teufel das Taufwasser, denn es gebe wichtigere Fragen bei der Bezirksreform. Nein, die Bezirksverordnetenversammlungen dürften keinesfalls über die Namen befinden. „Die können sich ja noch nicht einmal auf Straßennamen einigen.“
In der Tat stehen in den Bezirken heftige Debatten bevor. Beispiel Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Charlottenburger wollten schon 1920, bei der bislang einzigen Gebietsreform, nicht zu Groß-Berlin eingemeindet werden. Und die Wilmersdorfer verbinden mit ihrem Bezirksnamen eine historische Erfahrung.
Indes läßt die Gesetzgebungsstrategie Raum, jenen die Entscheidung zu überlassen, die in den Bezirken wohnen: den BürgerInnen. Bislang stehen die Bezirke in der Verfassung, und über „Verfassungsfragen“ dürfen die BürgerInnen nicht abstimmen. Mit dem Gebietsreformgesetz aber werden die Bezirke aus dem Berliner Grundgesetz gestrichen – damit würden Volksbegehren und Volksabstimmung über die Namen möglich.
Manches Bezirksamt bereitet sich mit eigenen Vorschlägen auf die Bezirkstaufe vor. In Hohenschönhausen etwa hat Bürgermeisterin Bärbel Grygier – obwohl prinzipiell gegen die Bezirksreform – ihren Stab zu einem Ideenwettbewerb aufgerufen. Hobbyhistoriker und engagierte Mitarbeiter haben einen Namen gefunden – freilich zunächst für die Schublade. Wie wird der Bezirk Weißensee- Pankow-Hohenschönhausen also heißen? „Jedenfalls nicht Weißensee. Mehr wird nicht verraten.“ Christian Füller
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