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Gefrorener Atommüll

■ Rußland plant Endlager auf arktischer Insel – Frankreich hilft

Murmansk (taz) – Immer mehr Atommüll wird in die Polarregionen abgeschoben: Rußland plant ein riesiges Endlager für Atomschrott auf der arktischen Insel Nowaja Semlja, in dem möglicherweise auch französischer Strahlenmüll landen soll. Erst kürzlich hatte das US-Pentagon Grönland als Lagermöglichkeit für verschrottete russische und amerikanische Atomwaffen entdeckt.

Die politische Führung der nordrussischen Provinz Murmansk präsentierte die fertigen Pläne für Nowaja Semlja vergangene Woche einer völlig überraschten Delegation des Nordischen Rats, der die Interessen der skandinavischen Länder inklusive Island vertritt. Erik Dahlheim, Delegationsmitglied und Abgeordneter des norwegischen Parlaments: „Irgendein Dialog oder auch nur nähere Information mit uns als Nachbarländer hat nicht stattgefunden und scheint auch nicht vorgesehen zu sein. Wir wurden völlig überrascht.“ Eine Entscheidung ganz im alten Stil der Sowjetunion, schließlich liegt Nowaja Semlja nur einige hundert Kilometer von der norwegischen und finnischen Küste entfernt. Bis in die achtziger Jahre diente die Insel als Atomwaffenversuchsgebiet der Sowjets. Zunächst für oberirdische, später für unterirdische Atomwaffentests. Weil das Gebiet sowieso verstrahlt sei, wurde es vom Vizegouverneur von Murmansk, Anatolij Malinin, gegenüber dem Nordischen Rat als ideale Lösung der Atommüllprobleme präsentiert.

Seit zumindest fester Atommüll nicht mehr im Nordmeer versenkt wird, türmen sich abgebrannte Brennelemente aus zivilen und militärischen Reaktoren sowie anderer Atommüll in ungesicherten Lagern an Land und auf Schiffen im Murmansk-Fjord. Laut Malinin soll der „Atomfriedhof“ auf Nowaja Semlja so konzipiert werden, daß ganze Reaktorkerne von atomar betriebenen Schiffen und auch atomare Waffen dort gelagert werden können. Zusammen mit einer Reinigungsanlage für flüssigen Atommüll in der Nähe von Murmansk – ein seit Jahren gemeinsam mit den USA geplantes Projekt, das sich aber ständig verzögert hat – sei nun eine Lösung für das Atommüllproblem auf der Kola- Halbinsel gefunden.

Der Baubeginn für den Atommüllagerplatz auf Nowaja Semlja ist laut Malinin bis spätestens Ende 1999 geplant. Man habe in der Projektierungsphase mit französischen Atomexperten zusammengearbeitet und plane mit diesen auch den Bau zu verwirklichen. Auf Vermutungen, daß Nowaja Semlja möglicherweise damit als „Gegenleistung“ auch zur Aufnahme von französischem Atommüll dienen solle, wollte Malinin nicht eingehen. Reinhard Wolff

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