: „Der Begriff der Tötungslizenz ist unmöglich“
■ Annelie Windheuser vom Sozialdienst katholischer Frauen zur Beratungsdebatte
taz: Frau Windheuser, angeblich soll der Papst einen apostolischen Brief vorbereiten, in dem er die deutschen Bischöfe auffordert, keine Scheine bei der Schwangerschaftsberatung mehr auszustellen. Käme es dazu, dann könnten der Sozialdienst katholischer Frauen wie auch die Caritas ihre Tätigkeit auf diesem Feld doch gänzlich einstellen.
Annelie Windheuser, Generalsekretärin des Sozialdienstes katholischer Frauen: Wir könnten, dürften und würden die Beratung für Schwangere nicht einstellen. Es entstünde natürlich, sollte es tatsächlich zu dem apostolischen Brief kommen, eine sehr schwierige Situation. Bislang bewegt sich aber alles, was in den Medien berichtet wird, auf der Ebene der Spekulation. Wir haben keinerlei Hinweise, daß es zu einem Einspruch des Vatikans kommen wird.
Was macht Sie so optimistisch?
Beim Besuch der deutschen Bischöfe in Rom (im Mai waren 27 deutsche Bischöfe in Rom – die Red.) ist es offenbar gelungen, den Papst davon zu überzeugen, daß die bisherige Regelung beibehalten wird und die katholischen Beratungsstellen nicht aus dem staatlichen System aussteigen sollten. Vor der Reise haben wir den Bischöfen eine Menge Materialien ins Gepäck gegeben. Viele Bischöfe, die noch schwankend waren, haben daraufhin ihre Haltung geändert und ihre Zustimmung zum jetzigen Beratungssystem der katholischen Kirche gegeben. Insofern glaube ich, daß eine überwiegende Mehrheit der Bischöfe überzeugt ist, daß die katholischen Beratungsstellen eine unverzichtbare Arbeit leisten.
Erzbischof Johannes Dyba aus Fulda vergleicht die Beratungsscheine, die zu einer Abtreibung legitimieren, mit „Tötungslizenzen“.
Mit diesem Vergleich steht Erzbischof Dyba alleine da. Sein Wort von der Tötungslizenz diskreditiert die Beraterinnen, die diese Arbeit verrichten. Den Vorwurf der Tötungslizenz finde ich unmöglich. Denn der Schein bestätigt gerade, daß eine wichtige, qualifizierte und legitime Beratung stattgefunden hat. Inzwischen scheint die Emotionalität, die die Debatte begleitet hat, etwas gewichen. Denn Herr Dyba hat in der letzten Zeit diesen Begriff nicht mehr benutzt – daraus schließe ich, daß er sich der neuen Denkweise etwas geöffnet hat.
Der Vatikan sollte also nicht hinter den Kompromiß zur Schwangerenberatung, auf den sich der Bundestag 1995 geeinigt hat, zurückfallen?
Nein. Interview: Severin Weiland
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